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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler
Autoren: Dominik Spreigl
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Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Wir und die Wächter gegen den bösen Rest der Welt.
    Es war wie Hypnose, fast sektenähnlich, uns Kindern wurde eingetrichtert, wie wir was machen sollten. Eine tägliche Gehirnwäsche, die früh am Morgen begann, denn da schaltete sich der Fernseher automatisch ein.
    Das Ding nervte einfach unerträglich. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und schmiss in einem Wutanfall eine Flasche hinein. Wer jetzt dachte, das Fernseher-Problem wäre erledigt, falsch gedacht! Als ich am nächsten Tag von einem Arbeitseinsatz zurückkehrte, stand ein neuer Fernseher da. Wie zur Hölle?! Der alte war wie von Zauberhand verschwunden. Und so war es jedes Mal. Die nächste Zeit hatte ich mir einen Spaß daraus gemacht, meine Fernseher auf immer neue Arten zu killen. Ein Schuss mit dem Fußball, ein erfrischendes Glas Wasser, einen Flug über meinen Balkon, ein Bad in meiner Wanne …
    Ich hatte einfach alles durch und es stand jedes Mal ein neues Gerät da. Einfach so. Kein Kommentar, kein Ärger wegen der zerstörten Geräte. Da gab ich es irgendwann auf. Die Sturheit der Wächter hatte gesiegt.
    Letztendlich hatte ich meine Flimmerkiste dann in den unbenutzten Raum neben dem Bad abgeschoben und kam so, Gott sei dank, nicht mehr in den Genuss des Fernseh-Schwachsinns.
    Nur extrem selten lief etwas wirklich Interessantes.
    Vor einer Woche hatten die Wächter mit Hilfe einer Videoaufnahme nach Zeugen gesucht. Ein Terrorist, verantwortlich für einen Bombenanschlag im Camp, wurde gezeigt. Seine Beschreibung lief am unteren Bildrand durch:
    »Männlich, schlank, ca. 150 cm groß, bekleidet mit schwarzer Jacke, Sturmmaske, schweren Arbeitsstiefeln, dunklen Handschuhen...«
    Ha, ein Zwerg-Terrorist!
    So klein wie der Typ war, das hätte sogar ich sein können. Kein Wunder, dass die Wächter nicht fündig wurden.
    Ich hatte den Terroristen bewundert. Ein Mann konnte das mächtige Kollektiv in Angst und Schrecken versetzten. Wie gerne würde ich diesen Pennern mal kräftig in den Hintern treten.

Sweet Dreams

Also was machen bei Nacht?
    Das Haus durften wir Kinder nicht mehr verlassen, es herrschte Ausgangssperre. Die ganze Zeit lesen? Pfff, laannngweilig.
    Da ging ich lieber ins Bett und betrat die Traumwelt, in der Ego meistens schon ungeduldig auf mich wartete.
    Von der Terrasse her war ein leichtes Tröpfeln zu hören. Interessiert erhob ich mich von der Couch und trat hinaus in die angenehm kühle Dunkelheit.
    Tatsächlich, es regnete. Noch waren es nur vereinzelte Tropfen, aber aus Erfahrung wusste ich, das konnte sich schnell ändern. Kaum versah man sich, schon tobte ein sintflutartiger Wolkenbruch.
    Ich blieb im warmen Nieselregen stehen, schloss meine Augen und atmete die frische Luft ein. Regentropfen trommelten auf meinen Kopf.
    Ein krachender, strahlend weißer Blitz, tauchte den Himmel und die unter ihm liegenden Straßenschluchten in Helligkeit.
    Eine Gestalt zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie stand unten auf der Straße und schien geradewegs zu mir nach oben zu blicken. Wie eine Statue, völlig regungslos. Ein Wächter? Ein weiterer Blitz flammte auf und ich schloss geblendet für einen kurzen Moment lang die Augen. Die Gestalt war weg. Einfach verschwunden, wie ein Geist. Ich hatte wohl schon Halluzinationen, das musste die Müdigkeit sein.
    Nach einem letzten Blick auf die Stadt schlurfte ich zurück in die Wohnung.
    Ich schaltete das Licht bis auf eine Lampe aus und machte es mir auf der Couch bequem. Kurz nachdem ich mir ein Kissen unter dem Kopf zurecht gelegt hatte, schlief ich auch schon ein.
    Lärm. Gesprächsfetzen. Leise Musik.
    Ich schlug die Augen auf. Ich befand mich auf einer Sitzbank im Untergeschoss eines namenlosen Gebäudes wieder.
    Um mich herum herrschte reges Treiben. Leute liefen umher, unterhielten sich, trugen ihre Einkäufe in Tüten nach Hause.
    Wie zur Hölle war ich hier gelandet? Schlafwandelte ich?
    Ich sah an mir herunter und stellte fest, ich trug lediglich den Bademantel, in dem ich Zuhause eingeschlafen war, am Körper.
    Ich zurrte den Gürtel fester zu. Ärger wegen unerlaubten Entblößens in der Öffentlichkeit fehlte mir gerade noch.
    All die Menschen sahen glücklich und zufrieden aus. Nichts deutete auf die Apokalypse hin.
    Kinder tollten umher. Pärchen schlenderten Hand in Hand durch die Gegend. Erwachsene betrachteten die Auslagen der Schaufenster.
    »Das kann nicht sein! Ich muss träumen.«
    Das war nie im Leben die Realität. Ich
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