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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten
Autoren: Kari F. Braenne
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«Und dass du in letzter Zeit so viel weg bist.»
    «Ach, fahr zur Hölle.»
    Mama weint. Wieder ist es eine Weile still, dann spricht Papa weiter: «Willst du das anbehalten?»
    «Was?»
    «Willst du dieses Kleid anbehalten?»
    «Was ist denn verkehrt daran?»
    «Takelst du dich für die so auf?»
    «Wer, die?»
    «Findest du ihn heiß?»
    «Von wem sprichst du?»
    «Von deinem neuen Boss. Versuchst du, dich hochzuschlafen?»
    «Robert, was in aller Welt ist eigentlich los mit dir?»
    «Du wolltest es doch so
echt.
»
    Wieder schneidet er eine Grimasse und sagt mit seiner künstlichen Komikerstimme: «Ich bin es, der eifersüchtige Ehemann!»
    «Musst du eigentlich immer auf der Bühne stehen?»
    «Die ganze Welt ist eine Bühne, Anna, auf der Männer und Frauen nur kleine Figuren sind.»
    «Du kannst mich mal, Robert, echt, du kannst mich.»
    Lukas schiebt den Teller mit den Butterbroten weg.
    «Komm, Wolf», sagt Lukas, «wir hauen ab. Zurück in den Wald.»
    «Da kommt mein Taxi», sagt Mama im Wohnzimmer.
    Vom Küchenfenster aus sieht Lukas den Wagen, der vor dem Tor angehalten hat.
    «Lukas!», ruft Mama.
    Er hört, wie sie die Treppe hinauf und in sein Zimmer geht. Lukas nimmt Wolf unter den Arm, schleicht gebückt aus der Küche, aus dem Haus, zurück in die Dunklen Wälder. Dort können sie sich im Laub vergraben, sich unter Bäumen oder in einer großen Höhle verstecken. Er legt sich unter den Johannisbeerstrauch und atmet in die Erde. Kneift die Augen zusammen.
    «Lukas? Lukas!»
    Lukas blinzelt durch das Blattwerk hinauf zum Haus. Mama steht jetzt auf der Veranda. Sie lässt den Blick über den Garten schweifen. Lukas duckt sich zwischen ein paar Zweigen. Nun kann ihn keiner finden.
    «Ich muss jetzt fahren! Willst du Mama nicht auf Wiedersehen sagen?»
    Eine, die einfach wegfährt, kann ihn mal gernhaben. Sie streitet und fährt weg. Nach einer Weile kommt sie mit ihrem Koffer aus dem Haus. Papa steht in der Tür.
    «Dann gib ihm einen Kuss von mir», sagt sie.
    Aber sie umarmen sich nicht wie sonst immer, wenn sie abfährt. Sie küssen sich nicht. Papa hebt die Hand, irgendwie abwesend, und Mama steigt in das Taxi. Sie zieht die Tür hinter sich zu, dann fährt der Wagen die Straße hinunter und verschwindet hinter der Kurve.
    Lukas schaut sich um, betrachtet die magischen Bäume in diesem endlosen, verzauberten Wald. Sie schimmern nicht mehr. Es leben auch keine giftigen Frösche oder Schlangen darin.
    Hier ist nichts weiter als dummes Gebüsch im Garten. Sein Blick wandert hinüber zu der kleinen Vertiefung in dem Haufen aus Blättern, Ästen und Zweigen. Jeder kann sehen, dass es keine Höhle ist. Er schleudert Wolf in den Dreck, wo er mit weit offenem Maul und lang heraushängender hellroter Filzzunge liegen bleibt. Lukas merkt es genau. Er ist nicht mehr stark. Die kosmischen Kräfte sind auf und davon. Er sammelt seinen Kuschelhund wieder auf und drückt ihn an sich.
    Da knackt es im Geäst, und einen Moment lang hofft er, es ist der Komodowaran. Aber er weiß ja, dass es bloß Papa ist.
    «Hier steckst du also. Komm raus, komm schon.»
    Aber Lukas rührt sich nicht. Unbeweglich, mit dem Gesicht nach unten, liegt er da und starrt in den Haufen nackter Äste, die im vergangenen Jahr von der Hecke abgeschnitten wurden. In die braunen Blätter, die sich langsam auflösen. Ein Käfer mit einem dunkel glänzenden Panzer kriecht dort unten hinein.
    Papa tätschelt seinen Kopf.
    «Mein Kleiner. Bist du traurig?»
    «Ja», weint Lukas in die Zweige.
    «Ich auch.»
    «Du bist dumm.»
    «Das bin ich wohl.»
    Papa holt Luft.
    «Vielleicht sollten wir beide etwas Schönes unternehmen.»
    «Es gibt nichts Schönes mehr», sagt Lukas.
    «Was sagst du zu einem kleinen Ausflug? Wir könnten am Wochenende irgendwohin fahren.»
    «Wir fahren doch sowieso am Wochenende weg. Nach Schweden mit Mama.»
    «Mama muss arbeiten.»
    «Warum muss sie immer arbeiten?»
    «Sie hat einen neuen Job, und da kann sie nicht nein sagen. Aber wir denken uns was anderes aus. Wir können in den Vergnügungspark fahren.»
    «Ich will nicht in den Vergnügungspark.»
    «Vielleicht nach Bygdøy.»
    «Dann will ich baden gehen.»
    «Das geht nicht mehr. Es ist zu kalt.»
    «Dann will ich nach Afrika. Ich will ein wilder Mann in Afrika sein. Und nie wieder nach Hause kommen.»
    «Das könnte schwierig werden.»
    «Dann will ich gar nichts.»
    Papa seufzt. Lukas sieht genau, dass er auch traurig ist.
    «Okay», sagt Lukas. «Machen wir eben
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