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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten
Autoren: Kari F. Braenne
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das?»
    «Warum?»
    Der Gartenbesitzer sieht ihn einen Moment an, dann schüttelt er leicht den Kopf und geht auf den Rasen.
    «Also – was meinen Sie?», fragt er. «Kriegen Sie es hin, dass hier alles schön grün wird?»
    Wilhelm blickt sich um. Ja, ein ordentliches Stück Arbeit, kein Zweifel. Überall trockene, gelbe Stellen und dazwischen harte Büschel von Quecken.
    «No problem. Aber wir müssen den Garten natürlich vollkommen umgraben und neu anlegen.»
    «Natürlich. Was halten Sie von einem Magnolienbaum am Eingang? Meine Frau mag so was.»
    «Magnolie ist gut», sagt Wilhelm und bindet Jack an einen Zaunpfahl. Der Hund gibt ein fast unhörbares Winseln von sich, ehe er sich auf dem hellbraunen Gras zusammenrollt.
    Der Gartenbesitzer führt Wilhelm über einen Steinplattenweg zum rückwärtigen Garten. Wie so oft warten die wirklichen Herausforderungen hinter dem hohen Zaun auf der Rückseite des Hauses, gut versteckt vor den Nachbarn. Wilhelm hat schon riesige Schrotthaufen gesehen, Ansammlungen kaputter Kühlschränke, ausrangierter Sofas und Autowracks. Aber so was stellt keine Schwierigkeit dar, so was kann man auf die Müllkippe bringen. Das größere Problem sind meist die verschiedenen Pflanzen, die sich in Sommern, in denen die Luft vor Hitze und Feuchtigkeit flimmert, über Jahrzehnte ungehindert ausbreiten können. Ein undurchdringliches Netz von Schösslingen und Wurzelwerk, das alle Kraft aus der Erde saugt. Erst wenn neue Eigentümer einziehen, so wie in diesem Fall, kommt alles ans Licht.
    «What do you think?», fragt Hamilton.
    Wilhelm seufzt. Dieser Garten gehört ohne Übertreibung zum Schlimmsten, was er je gesehen hat. Nicht genug damit, dass eine Ecke völlig von Giftefeu überwuchert ist. Die langen Ausläufer sind eine große Buche hinaufgeklettert und ranken außerdem in dichten Büscheln am Zaun, wo sie auf die Pforte zuwachsen. Ein echter Scheißjob, der größte Vorsicht erfordert, außerdem Ganzkörper-Schutzkleidung, die man hinterher nur noch wegwerfen kann, und einen großen Eimer Spritzmittel. Trotzdem, das ist Routine. Schlimmer ist das Sortiment an Pflanzen, mit denen der bisherige Besitzer den Garten vollgestopft hat. Er hat nicht nur genug Zucchini angebaut, um eine ganze Armee damit durchzufüttern. Er hat auch Bambus gepflanzt und irgendwann sowohl das Interesse daran als auch die Kontrolle darüber verloren. Der asiatische Dschungel bedeckt undurchdringlich mehr als die Hälfte des Gartens.
    «You can see it from space», betont der Gartenbesitzer. «You can see that bamboo in fucking Google Earth. Pardon my language.»
    «Oh yeah?», sagt Wilhelm und wirft einen schnellen Blick zum Himmel. Da ist nichts, natürlich nicht. Trotzdem läuft ihm ein sinnloser Schauer über den Rücken.
    «Kriegen Sie den weg, was meinen Sie?»
    «What?»
    «Den Bambus», entgegnet Hamilton mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme.
    «Of course. No problem at all.»
    Wilhelm umfasst einen der dicken Stängel. Die sind nicht wie normales Holz, sondern hart wie Stein. Und sie stehen dicht an dicht. Wie lang die Wurzeln sind und wie tief sie in die Erde reichen, wissen nur die Götter.
    «Kinderfreundlich», sagt Hamilton. «Das ist die Hauptsache. Der Garten hinter dem Haus soll ein Spielplatz werden. Wo wir sie rauslassen können, ohne uns Sorgen machen zu müssen. Wir bekommen ja bald noch eins.»
    «Kid proof.»
    «Exactly. Alle Pflanzen müssen entweder essbar oder völlig uninteressant für Kinder sein. Gleichzeitig ist es mir und meiner Frau wichtig, dass wir ständig alles im Blick haben können. Dass wir keine Angst haben müssen, sie könnten zu Schaden kommen. Kleine Kinder kommen auf alle möglichen Ideen, wissen Sie. Ich will auf keinen Fall, dass sie sich verlaufen oder in irgendeinem Gestrüpp festsitzen. Und sich zu Tode ängstigen.»
    Wilhelm lässt sich auf einen Gartenstuhl sinken.
    «Ist Ihnen schlecht?», fragt Hamilton.
    Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. «Certainly not», sagt er und steht wieder auf.
    Als der Gartenbesitzer sich schließlich ins Auto setzt und wegfährt, lässt Wilhelm den Hund von der Leine. Jack springt freudig an ihm hoch. Wilhelm krault ihn hinter den Ohren, der Köter schmiegt den Kopf in seine Hand und sieht ihn mit seinen dunkelbraunen Augen auf diese bittende und unerträglich vertrauensvolle Art an.
    «So geht’s nicht weiter, weißt du. Geht einfach nicht.»
    Er geht zu dem grünen Truck mit dem aufgemalten Schriftzug
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