Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
aus, erst recht morgens um fünf. Er trug verdrogte Pupillen, dafür aber ziemlich dichtes Haar. Jochen achtete auf die Haare anderer,
schon seit der Schulzeit, als seine Geheimratsecken begannen, immer weiter zusammenzuwachsen. An Koffein-Shampoo glaubte er nicht so recht, hatte sich aber trotzdem eine Flasche gekauft. Vielleicht half Doping für die Haare ja doch. Der Cabrio-Heini nahm überhaupt kein Shampoo, sondern seit Jahren nur Gel. Vielleicht waren die Haare deswegen noch so dicht. Er klebte sie einfach fest.
    Jochen holte Luft und zwang sich zu einer Pause, die sehr viel Mut erforderte, aber unglaublich wirkungsvoll war, weil sie das Gegenüber zur Konzentration zwang. Jochen hatte viel Übung auf diese Kunstpause verwendet, die seine Stimme richtig zur Geltung brachte. Er sehnte den Moment herbei, wenn ein Kunde stutzte, ihn lange taxierte und dann fragte: »Ihre Stimme kenne ich doch irgendwoher? Ja, klar, aus dem Radio: Beyond Cool. Starke Sendung, absoluter Kult. Habe ich gestern erst weitergetwittert.«
    Jochen hatte seine Reaktion bereits geplant: Er würde Richtung Horizont gucken, als plane er bereits die nächste Ausgabe von Beyond Cool . Dann würde er leise »Danke« sagen und total bescheiden fragen: »Darf’s noch was sein?«
    Der Cabrio-Heini guckte unwirsch. »Moin«, sagte Jochen schließlich, was er cooler fand als Hi oder Guten Morgen. »Was darf’s denn sein?« Los, Du Idiot, flehte Jochen innerlich. Sag es! Sag’s schon! Der Cabrio-Heini stutzte. »Welcome to the machine«, stellte er dann fest: »Super. Die ganze Platte ist super. Kannste so durchlaufen lassen. Immer wieder.« Jochen wusste nicht recht, ob er sich freuen sollte. Erstens hatte er mit seiner Prognose falsch gelegen, dass der Cabrio-Heini die Musik nicht beachten würde. Zweitens hatte der Kerl seine Stimme nicht erkannt. Und drittens hatte er ziemlich genau das gesagt, was er vor wenigen Minuten gedacht hatte: Kann man so durchlaufen lassen.

    Jochen wollte nicht so sein wie der Cabrio-Heini. - Aber: Wahrscheinlich dachten alle Männer weitgehendsynchron.
    »Wahrscheinlich dachten alle Männer weitgehend synchron. Es war nur noch keinem aufgefallen, weil sich alle für wahnsinnig individuell hielten.«
    Es war nur noch keinem aufgefallen, weil sich alle für wahnsinnig individuell hielten. Das musste man gleich testen, dachte Jochen: Der Cabrio-Heini kaufte bestimmt Schampus, um die Braut geschmeidig zu machen.
    »Was habt Ihr an Schampus da?«
    Volltreffer.
    » Rotkäppchen, Henkel, Freixenet und Moët «, antwortete Jochen. Früher hatte er immer »Mööt« gesagt, weil er das witzig fand. Aber in Wirklichkeit zeugte es von Blödheit. Also:
    »Mo-ee«.
    »Was kostet der Moët ?«
    »Achtundvierzigneunundneunzig.«

    Ach Du Schreck, dachte Lars. Viel zu teuer für komatösen Sex im Morgengrauen mit schlechtem Geschmack im Mund. Er rechnete nach. Hatte er überhaupt noch den Fuffi im Portemonnaie? Im Zweifelsfall nicht. Die Nacht war mal wieder unendlich teuer gewesen, und er hatte den Überblick über die Finanzen verloren. Tanja hatte im Wechsel Goldkrone auf Eis und Wodka/ Redbull getrunken. Jede Runde kam auf knapp zwanzig Euro, obgleich er sich mit Bier
begnügt hatte. Wenn überhaupt, dann steckte noch etwas Wechselgeld in seiner Hosentasche.
    Warum zum Teufel hatte er überhaupt solange an Tanja herumgequatscht? Er hatte um elf einen wichtigen Kundentermin, also gleich. Anstatt ein paar Stunden zu schlafen, hatte er sich Tanja aufgehalst. Sie waren vor zwei, drei Jahren schon mal miteinander im Bett gelandet. Lars konnte sich an nichts mehr erinnern. Konnte wohl nicht so doll gewesen sein. Tanja machte ohnehin keinen sonderlich erregten Eindruck, eher geschäftsmäßig.
    Und für schlechten Sex und keinen Schlaf sollte er jetzt einen Fuffi investieren, den er vermutlich gar nicht mehr hatte. Er würde fast schlafen, sie ruckelte lustlos immer weiter, und der teure Schampus würde schal und warm. Das Geld könnte er besser im Strandkorb in den Spielautomaten werfen. Da würden vielleicht drei Sonnen kommen.
    Ich schmeiß’ die Braut an der U-Bahn raus und leg’ mich hin, dachte Lars. Andererseits konnte er eine schnelle, schmutzige Entspannung gut gebrauchen, bevor er in einen Tag startete, von dem er wusste, dass er beschissen werden würde. Wie sollte er das halbe Jahr bis zur Full Moon Party jemals durchstehen?
    »Gib mir drei Dosen Redbull und’ne kleine Goldkrone «, sagte er zu dem Tankstellen-Kassierer,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher