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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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der immerhin Pink Floyd laufen hatte.

    Jochen ging erst zum Spirituosenregal, dann zum Kühlschrank. Sehr vernünftig, dachte er. Im schlimmsten Fall wird eine halbe Dose Redbull schal. Kann man dann ja immer noch zum Frühstück trinken.
    »Einundzwanzigsiebzig.«

    »Und’ne Packung Airwaves , die roten.« Nur nicht Stinke-Knutschen.
    »Zweiundzwanzigneunzig. Tüte?«
    Der Cabrio-Typ fischte zerknitterte Scheine und ein paar Münzen aus der Hosentasche.
    »Nee, danke. Stimmt so. Coole Mucke, echt.«
    Jochen zog die Schublade heran, der Cabrio-Typ kehrte zurück zu den Füßen, die immer noch auf dem Armaturenbrett ruhten.
    Er hatte dreiundzwanzig Euro in die Blechkiste gelegt. »Danke«, sagte Jochen. Zehn Cent Trinkgeld. War das nun eine Beleidigung? Der Dank für Pink Floyd ? Großkotzigkeit? Ein Statement gegen die Geizgesellschaft? Oder einfach nur der Unwille, Tonnen kleiner fast wertloser Metallstücke herumzuschleppen?
    Jochen fischte ein blankes Zehn-Cent-Stück aus der Kasse. Diese Münze konnte verdammt kränkend sein, aber auch von historischer Bedeutung. Es hing davon ab, ob er sich dem Cabrio-Heini unterwarf und hündisch »Danke« sagte, ob er auf Konfrontationskurs ging, schwieg und »Arschgeige« dachte, oder ob er den Ball als Steilpass begreifen, aufs Tor rennen und einlochen sollte.
    Das war der dritte Weg, der Weg der Männer-Solidarität. Männer begriffen sich zu wenig als Team. Der erste Reflex, wenn zwei sich trafen, lautete fast immer: Krieg oder Kapitulation. Zeige ich dem anderen sofort meine unheimlich großen harten Cojones? Oder lege ich mich ergeben auf den Rücken? Jochen entschied sich für den dritten Weg. Das Trinkgeld von dem Cabrio-Heini könnte der magische Zehner sein, mit dem alles beginnen würde, so wie der heilige Kreuzer von Dagobert Duck.
    Eigentlich hasste Jochen alle Cabrio-Heinis, andererseits hatte dieser hier offenbar Ahnung von Musik. Sie beide gehörten
zum gleichen Musikstamm. Brüder im Sound. Neben Fußballvereinen und Biermarken war die Musik das dritte große Differenzierungsmerkmal der Gattung Mann. Außerdem war der Cabrio-Heini Kernzielgruppe für »Beyond Cool«. Er war spät noch wach. Ein Mann, der noch lebte, was er der Dame mit den nackten Füßen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gleich noch beweisen würde.
    Jochen spürte Neid aufsteigen. Er war schon lange nicht mehr morgens um fünf mit einer Frau nach Hause gekommen. Eigentlich noch nie. Deswegen hatte er ja auf die Provokations-Strategie umgestellt.
    »Das war der dritte Weg, der Weg der Männer-Solidarität. Männer begriffen sich zu wenig als Team. Der erste Reflex, wenn zwei sich trafen, lautete fast immer: Krieg oder Kapitulation.«
    Nur mal angenommen, er würde sich jetzt einen eisgekühlten Moët aus dem Lager holen, die Tanke abschließen, Flasche schwenkend zum Cabrio schlendern und die beiden ganz freundlich fragen, ob er mitkommen und mitmachen dürfe. Oder einfach nur zugucken. Was würden die beiden wohl sagen? Was könnte er verlieren außer den blöden Job an der Tanke? Was aber würde er im Gegenzug gewinnen, wenn sie ihn tatsächlich auf den Notsitz bitten würden?
    Jochen überlegte, welche Unterhose er heute trug. Oh! Boxer-Shorts mit Fred Feuerstein . Ein Versehen. Nur, weil alle anderen absolut nicht mehr tragbar und daher in der Wäsche waren. Eines Tages würde er garantiert fragen. Wenn er eine bessere Unterhose trug. Das Cabrio brauste davon.

    Der Jogger hatte aufgehört, auf seinen Blackberry einzuhämmern. Was zum Teufel war so wichtig, dass man es morgens um fünf mitteilen musste? Der Jogger schwitzte nicht. Er trug Verachtungsgesicht. Klare Sache, er hielt Tankstellen-Nachtschichtler für Versager.
    Jochen nahm sich vor, auf Cojones-Modus umzustellen. Nix Bruder. Er drückte die Lippen fest auf das kalte Metall. Das Drahtgeflecht schmeckte nach Nikotin und alter Spucke. Egal. Jochen konzentrierte sich auf seinen Rachen und zwang sich zu einer besonders langen Pause. Der Jogger guckte unwirsch. »Naa«, sagte Jochen mit Radiostimme, »schon die ersten Aktien gekauft?«

    Attila verabscheute Tankstellen zutiefst. Tankstellen waren die Vorstufe zum Männerwohnheim. Der Anteil verkrachter Existenzen lag hier weit über dem Berliner Durchschnitt, und der war schon hoch.
    Attila wäre gern wieder in München, weit weg von dieser Hartz-IV-Hauptstadt. Aber wenn er Chef bei Wesley werden wollte, musste er beweisen, was er draufhatte. Seine Vorgänger waren in Berlin
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