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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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immer weiter vom Nachttisch weg. Lars zitterte. Er würde erblinden. Es gab keinen Zweifel. Er würde nie seine Kinder sehen können, nie mehr die aufgehende Sonne, nichts. Es war aus.
    Sollte er überhaupt jemals wieder ins Büro gehen? Noch knapp über vier Stunden hatte er, dann musste er wieder raus. Das war nicht viel, aber da hatte er doch schon ganz andere Sachen geschaukelt, er war hart im Nehmen und Vertuschen. Er musste nach dem Aufstehen sofort kontrollieren, wen er angerufen hatte, unbedingt. Und dann sofort noch einmal anrufen und alles richtigstellen, vor allem bei Doro.
    Wie er die Doro bis ins Klo verfolgt hatte, das war doch Weltklasse. Er war aber auch ein verrückter Hund, unfassbar, und wenn die ehrlich wäre, würde sie das auch zugeben, die Doro. Die hatte doch nur Angst vor der eigenen Courage, die wollte doch eigentlich genau das. Da musste ihm nix peinlich sein, bisschen wild war es vielleicht gewesen, gut, aber besser wild als tot, solange es ging, musste alles gehen, klare Sache.
    Das war auf jeden Fall eine schöne Anekdote für den Herrenabend. Da würden die wieder Augen machen, die lieben Freunde, was er für ein Leben führte. Das tat Lars immer gut, wenn die anderen ihn bewunderten. In solchen Momenten war er sicher, genau das Richtige zu machen. Lars schlief ein.

    Maik hatte Ulrike in den Arm genommen. Sie schlief schon fast. Eigentlich war sie süß. Immerhin hatten sie sich nicht mehr gestritten. Sie hatten nicht mal weiter über den Tanzkurs geredet, sondern sich einfach zusammen in die Hollywoodschaukel im Seilerschen Garten gesetzt. Eine wirklich gute Beziehung zu einer Frau zeichnete sich durch gehobenes Schweigen aus; nicht das Hotelfrühstücksnichtssagen, sondern zufriedenes, einträchtiges Schweigen.
    Derweil zogen die Pfostens nach ihrem Getanze noch ein kleines weinseliges Solo ab, das sie offenbar für Comedy hielten.
    Er,nach einem Prüfkniffin ihreHüftgegend: »Gut in Form.« Sie: »Etwas überzeugender bitte.«
    Er: »Ein echter Kavalier sülzt nicht.«
    Sie: »In der alten Schule hast du doch immer geschwänzt.« Er: »Na gut, ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.«
    Maik gähnte demonstrativ und deutete auf Ulrike, als der Pfosten rüberschaute, ob ihr Gag-Feuerwerk auch angekommen sei.
    »Wir gehen jetzt«, sagte Maik, »vielen Dank für alles.«

»Jederzeit wieder gern«, sagte der Pfosten. Die Pfostin reichte die Hand, als erwarte sie einen Handkuss. Maik tat so, als verstehe er das Signal nicht. Schließlich war er Ossi. Leni saß noch auf der Couch, als sie nach Hause kamen. Sie war in eine Decke gehüllt, das Fernsehen zeigte eine tonlose Dokumentation über Flugzeugträger. Neben ihr lag Kevin.
    »Der Junge hat gebrochen«, sagte sie. Dabei hatten wir doch Buchweizen mit Zitronengras, dachte Maik. Er brachte Ulrike nach oben ins Bett. »Ich kümmere mich«, sagte er. Dann schickte er Leni ins Gästezimmer. Heinz war schon
nach Hause gefahren. Maik sagte sogar: »Danke, Leni.« Sie blickte ihn ein bisschen überrascht an, sogar eine Spur dankbar, als habe sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie eines Tages doch noch Freunde würden.
    Das Problem war: Wer mit Frauen kommunizierte, und war es nur ein Blick, der war umgehend Teil einer großen, langen Geschichte. Männer konnten klare Ansagen für den Moment machen, die zu nichts verpflichteten. Aber Frauen bauten einen immer gleich für den Rest ihres Lebens mit ein.
    »Wer mit Frauen kommunizierte, und war es nur ein Blick, der war umgehend Teil einer großen, langen Geschichte.«
    Maik spürte, dass ihm diese Nacht die einzigartige Chance bot, seine Qualifikation als Vater, als Mann, als Verantwortlicher, als Fürsorger unter Beweis zu stellen. Er bettete Henry bequem aufs Sofa, stellte einen Eimer bereit, holte einen kalten Waschlappen, den er dem Jungen vorsichtig auf die Stirn legte. Maik nahm die Decke, die seine Schwiegermutter um die Schultern getragen hatte, schob sich ein Sofakissen unter den Kopf und rollte sich auf dem Wohnzimmerteppich zusammen. Schamanen hatten kein Problem, auf dem Boden zu schlafen.
    Genau in diesem Moment entstand eine dieser Heldengeschichten, die Ulrike so gern erzählte, um zu beweisen, dass sie einen großartigen Mann und die Kinder den weltbesten Papi abgekriegt hatten. Alle Mütter standen in permanentem Kerle-Wettbewerb. Und logen sich ringsum vor, wie großartig ihr Mann sich um alles kümmerte. Männer
sind eben auch nichts anderes als Statussymbole,
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