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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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dachte Maik. Es gab Schlimmeres.

    Bretti und Jochen hingen an ihrem Stammplatz am Tresen. Die Wirtin hatte ihre Bierdeckel bereits ringsherum mit Strichen versehen. Es war eine dieser Nächte, in denen alles scheißegal war. Sie hatte die Pink-Floyd-CD eingelegt, die Jochen ihr mal gebrannt hatte. Den Gefallen tat sie ihm immer, wenn er mit Bretti zum Saufen kam. Und die anderen Stammgäste wussten es auch zu schätzen. Jedenfalls beschwerte sich keiner. Die Walzen der Spielautomaten drehten sich ohne Unterlass. Es war ein magischer Abend - die Freispiele würden kommen.
    »Biss du dir ganss sicher?«, fragte Jochen zum hundertsten Mal.
    Bretti nickte stumm.
    »Ganss, ganss sicher?«
    Bretti nickt wieder.
    »Aber sie iss eine Frau«, wandte Jochen ein.
    Bretti nickte.
    »Willss du Kinder von ihr?«, bohrte Jochen weiter.
    Bretti nickte.
    Es hatte keinen Zweck mit diesem Kerl. Er wurde von einem Schwanz gesteuert, den eine Frau fest in der Hand hielt. Dagegen konnte auch die stärkste Männerfreundschaft nichts machen. Eines allerdings konnten Frauen nicht: Versprechen für die Ewigkeit abliefern.
    »Was auch immer passiert«, sagte Jochen und leerte sein Bierglas, »was auch jemals passiert - du kannsst immer zu mir kommen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wenn dich alle im Stich lassen - dein Kumpel Jochen nicht.«

    Bretti nickte. Er war sturzbesoffen, aber er sah sichtlich gerührt aus. Er fiel Jochen um den Hals. »Egalwasspassiert«, wiederholte er und suchte sein Bier auf dem Tresen, um mit Jochen anzustoßen.
    Sie hoben die Gläser: »Egalwasspassiert«.
    Auch durch den dichten Bier- und Birnendunst spürte Jochen noch, dass dieser Moment tatsächlich ein magischer war - ein Moment, wie es ihn nur unter Männern gab.

4 UHR
    Lars fingerte nach dem Lichtschalter. Er starb vor Durst.

    Er musste aufs Klo, aber ganz schnell. Der Aschenbecher neben dem Bett stank bestialisch, fast so schlimm wie die leere Flasche Rotwein. Er durfte nichts mehr trinken. Er musste mit dem Rauchen aufhören. Die Leber zerfiel, der Krebs wucherte, er spürte es genau.
    Endlich, der Schalter. Mit halb geschlossenen Augen tastete er sich zur Küche und riss die Kühlschranktür auf. Natürlich nichts drin. Er stolperte zum Klo. Wenn die polnische Putzfrau nicht bald aus ihrem Urlaub kommen würde, könnte er die Bude auch gleich abfackeln. Anders war dem Chaos nicht mehr beizukommen.
    In der Küche nahm er sich das Weißbierglas und hielt es unter den Kran. Das Leitungswasser schmeckte nach Plutonium. War bestimmt total versetzt mit den schlimmsten Chemikalien. Egal. Das Wasser verdampfte schon auf der Zunge. Lars fühlte sich wie ein Schwamm. Noch einen halben Liter. Er konnte kaum schlucken.
    Er tastete nach seinem Handy. Tatsächlich - er hat eine SMS bekommen. Von Tanja. Er würde sie nach dem Aufstehen lesen. Lächelnd schloss er die Augen. Läuft doch, dachte Lars, läuft ja doch noch. Es würde ewig so weitergehen.

    Dorothea schlief schon, als Martin ins Bett kam, jedenfalls tat sie so. Er war bester Stimmung und hätte gern noch ein wenig gebumst oder besser noch bumsen lassen. Martin mochte es, wenn er entspannt auf dem Rücken lag und seine Frau auf ihm herumritt. Aber Dorothea machte nicht den Eindruck, als erregte sie der Gedanke an einen schnellen schmutzigen Ausritt.
    Erfolglos unterdrückte Martin den bösen, kleinen Gedanken, dass Dorothea in Wirklichkeit eine ziemliche Produktenttäuschung war. Sie machte sich für besondere Anlässe wirklich toll zurecht, sah auf ihre herbe Art gleichsam geil und selbstbewusst aus. Ihre Dominanz reichte gerade mal bis zur Bettkante. Dann aber fiel sie komplett aus und ließ sich bisweilen bestenfalls zu einer eher lieblosen Ruckelnummer hinreißen. Mit den Kindern war die Lethargie gekommen.
    Martin hatte manchmal die Phantasie, ihr hemmungslos den Hintern zu versohlen. Er war sicher, dass es ihr guttun würde. Und ihm erst. Er war sicher, dass Dorothea insgeheim davon träumte. Sie wusste es nur nicht. Und er traute sich nicht, sie zu fragen. Ein solches Ansinnen verstieß gegen all die Regeln, die sie sich in acht Jahren zurechtgezimmert hatten. Er legte sich auf seine Seite der beiden Einzelbetten, die mal ein Doppelbett gewesen waren, und schlief mit einer Viertelerektion ein.
    Wenig später spürte Martin einen Ellenbogen in seinen Rippen. »Norbert schreit«, sagte Dorothea direkt in sein Ohr. Sein Schädel dröhnte. Es war fast fünf. Martin sah sich außerstande, schon wieder
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