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Der Vollstrecker

Der Vollstrecker

Titel: Der Vollstrecker
Autoren: Chris Carter
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Augen aufflackern sah. Rasch fuhr er fort. »Nichts. Keine Erkenntnis, keine Einsicht. Es wäre ein sinnloser Auftrag gewesen, den Gott selbst im Bruchteil einer Sekunde hätte ausführen können. So wie ich es verstehe, gibt Gott den Menschen aber keine sinnlosen Aufträge.«
    Die Unsicherheit in Woods’ Augen wuchs.
    Â»Ihr Auftrag war es, Ihre Tochter zu begleiten. Ihr dabei zu helfen, die Gabe, die ihr mitgegeben wurde, zu verstehen. Denn wer hat ihr diese Gabe gegeben, John, wenn nicht Gott? So große Macht hat der Teufel nicht.«
    Gleich darauf wurde Hunter erneut schwindlig. Blut rann seinen Arm hinab und tropfte auf den Holzboden. Er spürte, wie die Kraft aus seinen Beinen wich. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit.
    Â»Sie hat ihre eigene Mutter verflucht!«, schrie Woods zornentbrannt zurück. »Sie hat ihr prophezeit, dass sie sterben würde!«
    Â»Nein, das stimmt nicht. Sie hat versucht, ihren Tod zu verhindern, und wenn Sie auf sie gehört hätten, dann wäre Ihre Frau jetzt noch am Leben. Begreifen Sie denn nicht, John? In Mollies Gabe steckt die Fähigkeit, anderen Menschen zu helfen. Sie kann das Leiden anderer verhindern, aber sie kann es nicht alleine tun. Es muss Menschen geben, die ihr zuhören und an sie glauben.«
    Â»So wie Sie?«
    Â»Ja, wie mich. Sie hat Sie wieder und wieder um Hilfe angefleht. Sie tut es immer noch. Alles, was sie brauchte, war Ihre Unterstützung, Ihr Verständnis. Ihr Auftrag war es, hinter die Fassade zu blicken. Ihre eigenen Vorurteile zu überwinden und das Gute in dem zu sehen, was Sie für das Böse gehalten haben.«
    Woods verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als wäre er sich mit einem Mal nicht mehr sicher, dass er das Richtige tat. Der Griff um die Waffe lockerte sich ein winziges bisschen, und Hunter wagte sich einen weiteren Schritt nach vorn. Aber dann riss Woods sich zusammen, als sei er aus einem Traum aufgewacht.
    Â»Nein!« Ein Schrei voll unbändiger Wut. »Ich habe den Auftrag ausgeführt, so wie er mir erteilt wurde! Sie muss sterben! So wie all die anderen sterben mussten.«
    Die anderen? , dachte Hunter erschrocken.
    Â»Sie mussten sterben, damit ich die Satansbrut finden konnte.«
    Und plötzlich begriff Hunter. Das blonde Mädchen im Wohnzimmer – auf den Knien, mit aufgeschlitzter Kehle. Claire Anderson – mit aufgeschlitzter Kehle. Die Frauen in der Zeitung. Hunter hatte den Artikel nur überflogen und gleich danach wieder vergessen. Sie alle hatten braune Haare gehabt. Sie alle waren ungefähr in Mollies Alter gewesen. Und alle hatte man nackt und auf den Knien gefunden, die Hände wie zum Gebet gefesselt, die Kehlen durchgeschnitten. John Woods war schon seit Tagen in Los Angeles und suchte nach Mollie. Seine Wut und seine Frustration waren in ihm übergekocht, als er sie nicht finden konnte. Also hatte er seinen Hass an Mädchen ausgelassen, die ihr ähnlich sahen. Durch sie tötete er Mollie, immer und immer wieder. Aber es war nicht nur das. John Woods glaubte tatsächlich, dass seine Tochter eine besondere Gabe besaß; dass sie das Leiden anderer spüren konnte. Er wusste, dass sie im Herzen ein guter Mensch war. Dass sie versuchen würde zu helfen. Er hatte diese Mädchen nicht nur deshalb getötet, weil sie Mollie ähnlich sahen, sondern damit Mollie es spürte. Er hatte sie aus ihrem Versteck locken wollen. John Woods war der Slasher.
    Â»Und sie wird sterben«, sagte Woods und hob die Waffe. »Genau wie Sie.«
    Hunter sah die Entschlossenheit in Woods’ Augen, als dieser den Finger um den Abzug krümmte.
    Es war vorbei.
    141
    D er donnernde Schuss wurde übertönt von dem sintflutartigen Regen, der von draußen gegen die Fenster trommelte. Blut, Hautfetzen und Knochensplitter spritzten quer über die Wand. Schlagartig war die Luft im Flur mit dem Geruch von Kordit erfüllt.
    Hunter kippte nach vorn, konnte sich aber gerade noch mit dem gesunden Arm an der Wand abstützen. Die Kombination aus Blutverlust und Adrenalinschub lösten ein unglaubliches Schwindelgefühl in ihm aus, und er verlor kurz die Orientierung. Als sein Blick wieder klar war, sah er, wie John Woods vor ihm auf die Knie sackte. Blut troff aus einer Schusswunde an seiner rechten Hand, die drei seiner Finger zerfetzt hatte. Sein Mund stand halb offen, und seine Augen starrten voller Entsetzen empor.
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