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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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seine Patienten durch konzentriertes Magnet-Wedeln heilen zu wollen, erschien das den Zeitgenossen nicht weniger plausibel und erfolgversprechend als Galvanis Experimente mit toter Muskulatur. Zumal Mesmer Erklärungen zu bieten hatte, wo Galvani und Kollegen viel zu lange nach einer suchten: Der Magnetismus der Gestirne beeinflusse direkt das Wohlbefinden des Menschen, weil er Einfluss nehme auf das allen Lebewesen innewohnende magnetische Fluidum. Welche Energien dort auch immer fließen mögen, Mesmer glaubte sie durch den Einsatz von Magneten in seinem Sinne und zum Wohle des Patienten beeinflussen zu können.
    Während Fachleute Mesmer für einen Scharlatan hielten, sammelte dieser nicht nur Patienten, sondern regelrecht begeisterte Fans – was wiederum die Wirksamkeit seiner Wedeleien deutlich erhöht haben dürfte. In England, wo er kurzfristig tätig war, hinterließ er einen so tiefen Eindruck, dass sein Name sogar in die Sprache einging: »To mesmerize« ist ein noch heute gebräuchliches Verb und wird meist mit »verzaubern« übersetzt, was das »Mesmerisieren« nicht ganz trifft.
    Man kann es vielmehr als das beschreiben, was die Schlange angeblich mit dem Kaninchen tut. Sie »hypnotisiert« es in eine Starre hinein, bis es stillsitzt und gebannt den Bewegungen des Reptils folgt. Die körperlich-geistige Verfassung eines solchen Kaninchens beschreibt der Brite als »mesmerisiert«.
    Das trifft den Nagel auf den Kopf. Ähnlich kann man sich vor allem Mesmers öffentliche Therapie-Auftritte vorstellen: Mesmer posierte gern mit großer Geste, Magnete schwingend vor seinen zum absoluten Stillsitzen gemahnten Patienten. Konzentration gehörte dazu und Stille, wenn Mesmer versuchte, die magnetische Kraft in seinem Gegenüber anzusprechen. Ohne jeden Zweifel war er seiner Zeit voraus: 150 Jahre später geboren, hätten ihm seine dann in wallendes Tuch gewandeten Jünger wahrscheinlich ihr Vermögen überwiesen, bevor sie in sein Ashram gezogen wären. Mesmer selbst sah sich keineswegs auf diese Weise. Zeit seines Lebens beschwor der Arzt seine Ernsthaftigkeit und scheint an seine Theorien tatsächlich geglaubt zu haben.
    SCHLAPPEN ADE
    »Ich seh Dich nach dem Essen im Holzschuppen«, mit diesem Satz begann die kleine Meldung, die Popular Mechanics in der Juliausgabe 1922 für seine Leser recherchiert hatte.
    Damals war der Satz sofort verständlich, ein Gemeinplatz, mit dem Generationen aufgewachsen waren. Der heutigen Jugend muss man ihn natürlich erklären: Mit solchen Worten bestellten Väter ihren Nachwuchs früher zwecks disziplinarischen Hintern-Versohlens in einen dafür reservierten Raum. Dass Sohnemann dort wie zu einer Verabredung selbst auflaufen musste, gehörte als demütigendes und Angst schürendes Element zum pädagogischen Konzept. Holzschuppen, Werkstätten und Abstellräume galten als beliebte Lokalitäten für die Züchtigung oder zeitweise Internierung der aufsässigen Heranwachsenden.
    B esonders auch in Deutschland gediehen damals beliebte Weisheiten der autoritären Erziehung wie: »Ein Schlag auf den Hinterkopf erhöht das Denkvermögen« oder: »Schade um jeden Schlag, der daneben geht«. Älteren Mitbürgern steigen bei solchen Erinnerungen wohl noch heute Tränen der Rührung darüber in die Augen, dass sie das alles überstanden haben und nie mehr erleben müssen.
    Wie bei Hunden bevorzugten ehrbare Pädagogen dabei natürlich Schlagwerkzeuge wie Stöcke oder lange Lineale beziehungsweise für den Heimgebrauch Hausschuhe, um Verletzungen der eigenen Hand zu vermeiden. Geschlagen wurde auf den nackten Allerwertesten oder – in Wahrheit die schlimmere Variante – auf die Hand-und Fingerinnenflächen sowie auf die Rückseite der Oberschenkel.

    A lles Vergangenheit, informierte Popular Mechanics seine fortschrittsfreudigen Leser, »seit der kürzlich stattgefundenen Elektrizitäts-Show im Madison Square Garden«. Endlich zog der Fortschritt auch in die Pädagogik ein: Mit dem elektrischen »Spanker« – dem automatischen Hintern-Versohler. Künftig, so Popular Mechanics, werde man sich unter der nächstliegenden Birnenfassung treffen. Denn Steckdosen hatten sich zu dieser Zeit noch nicht durchgesetzt, meist wurde der Strom für Elektrogeräte aus der Licht-Verkabelung bezogen. Popular Mechanics schloss die Meldung gewohnt augenzwinkernd ab: »Vater wird sich einen moderneren Spruch als das uralte ›Das wird mir mehr wehtun als Dir!‹ ausdenken müssen – für den Fall, dass es
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