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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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den längst von Dampfkraft getriebenen Manufakturen schufteten, wussten das aus eigener Erfahrung: Was die neuen Denker entwickeln, kann dein Leben auf der Stelle komplett verändern! Und zwar nicht unbedingt zum Vorteil für jedermann.
    Man darf also davon ausgehen, dass viele Menschen die damals für möglich gehaltenen Konsequenzen der galvanischen Experimente durchaus zu Ende dachten. Vorbei die Zeit, in der Wissenschaft um der bloßen Erkenntnis willen mit den Dingen spielen konnte. In dieser Zeit des Umbruchs hatten ihre Versuche eine völlig andere Brisanz. Aufregend war das – aber eben auch beängstigend.
    Folglich veränderte sich das Bild des Forschers. Wissenschaft traf nun verstärkt auf moralische Bedenken und Furcht vor ihren Konsequenzen. Dennoch, die in Frankenstein geschilderte Konstellation, die Botschaft des Buchs, wenn man so will, prägt uns noch heute: Egal, wie groß die Ängste und Bedenken sind, das Machbare wird letzten Endes doch immer gemacht – selbst wenn wir wissen oder ahnen, dass man besser die Finger davon lassen sollte. Allzu groß sind die Verlockungen der neuen Möglichkeiten, um nicht in Euphorie zu verfallen!
    Hatten Leute wie James Cook nicht stellvertretend für alle die Erde umfahren? Neue Kenntnisse, Wunder, exotische Köstlichkeiten und Reichtümer nach Europa gebracht? Hatte der Schotte James Watt mit seiner Verbesserung des zwar seit Jahrhunderten bekannten, seit rund 70 Jahren zunehmend genutzten, aber nur sehr begrenzt einsetzbaren Dampfmaschinen-Prinzips nicht gerade innerhalb weniger Jahre sämtliche Industrien von Grund auf revolutioniert? Deutete sich in der Amerikanischen Unabhängigkeit sowie in den Transmutationen des französischen Staates nicht an, dass es außerdem vorbei war mit der Jahrhunderte überdauernden Stabilität politischer Ordnungen? Galvani und Konsorten eröffneten nun ihrerseits neue Möglichkeiten, das Leben nicht nur besser zu verstehen, sondern vielleicht auch zu bereichern, ja gewissermaßen sogar auszudehnen!
    Und dort, wo die Begeisterung für das Neue nicht ausreichte, die Entwicklung der Elektrizitäts-Forschung weiter voranzutreiben, tat die nun mit dem Thema verbundene morbide Faszination ihr Übriges.

Populärwissenschaft
    Dass die Leichen-Experimente mit elektrischem Strom viele Menschen durchaus abschreckten und gruselten, liegt in der Natur der Sache. Zuckende Leichen waren morbide genug, um so manch einem Albträume zu bescheren. Als dann 1792 in Frankreich die Guillotine als vermeintlich humanes Exekutionswerkzeug eingeführt wurde, manche ihrer Kritiker aber mit galvanischen Stromstößen nachweisen wollten, dass die Köpfe so tot gar nicht seien, war die Grenze zum Horror definitiv überschritten: Abgetrennte Köpfe, deren Gesichtsmuskeln wild zuckten, schlugen selbst hartgesottenen Adelshassern auf den Magen. Zumal es nicht alle Forscher für nötig hielten, ihre hehren Forschungsziele verständlich zu erklären – und selbst wenn sie es taten, wurde das Experiment oft genug trotzdem zum öffentlich zelebrierten Horror-Spektakel.
    In besonderer Weise tat sich dabei der Italiener Giovanni Aldini hervor. Der ernsthafte Akademiker, ein Neffe Galvanis, hoch dekorierter Physiker und später Stadtrat von Bologna, hatte erfolgreiche Experimente mit Tierkadavern und Verstorbenen durchgeführt und wusste darum, dass seine Chancen, den Einfluss der elektrischen Energie auf den toten menschlichen Körper zu erforschen, umso besser wurden, je frischer seine Studienobjekte waren. Auch er wandte sich deshalb der Forschungsarbeit im Schatten der Guillotine zu.
    Giovanni Aldini begann seine galvanischen Experimente mit Tierkadavern, …
    Aldinis Arbeit trug reiche Frucht in mehrfacher Hinsicht: Er verfasste Aufsätze und viel beachtete bebilderte Protokollbände, forschte und veröffentlichte in Italien, Frankreich und England. Zugleich wurden er und seine Experimente zeitweilig zu einer Attraktion am Rande der Richtplätze Bolognas, die für sich schon massenweise Publikum anzogen. Der Akademiker Aldini bot seinen sensationslüsternen Zuschauern eine Steigerung des Horrors.
    An Exekutionstagen ließ sich Aldini sowohl die Köpfe als auch die Körper der Hingerichteten liefern. Er zog Geköpfte vor, weil er das Arbeiten mit Gehenkten als unangenehm empfand – sie waren ihm zu »vollständig«. Er wollte die Reaktionen des Körpers auf elektrische Reize erforschen, nicht etwa die Möglichkeiten seiner Wiederbelebung. Einen Korpus, dem
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