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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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isolierte Person in einem Löffel entgegenhält, durch einen aus der Fingerspitze springenden Funken entzünden.«
    Einfacher gesagt: Mit der Elektrisiermaschine konnte man junge Mädchen aufladen und zwar so, dass ihnen nicht nur die Haare zu Berge standen, sondern sie mit ihren Fingern oder hingehauchten Küsschen kleine elektrische Schocks verteilen konnten.
    Elektrischer Kuss: Da funkt es nicht nur bei den jungen Leuten
    Man stelle sich vor: Gut 200 Jahre lang standen in zahlreichen betuchten Haushalten eben jene Elektrisiermaschinen, die genau diesen und keinen anderen Zweck erfüllten – »elektrischer Kuss« wurde das genannt.
    So wie heutzutage lockere Abende mit der Wii-Konsole, mit Karaoke-Spielchen oder anderem elektronischen Entertainment aufgeheitert werden, ergötzte man sich damals eben an kleinen elektrischen Experimenten, bei denen es letztlich immer darum ging, dass es zwischen den Spielenden funkte. Möglich, dass wir das deshalb bis heute so nennen, wenn zwei frisch Aufeinandertreffende ein spontanes, eindeutiges Interesse aneinander zeigen: Es »funkt« zwischen den beiden.
    Im neckischen Extrem wurde aus dem einfachen Elektrisier-Aufbau ein physikalisch-soziales Experiment. Beim »elektrischen Knaben« lud man beispielsweise einen Jüngling auf, den man mit Seidengarnen an der Decke befestigt hatte. Er vermochte sodann allerlei Wundersames zu bewirken: mit seinen »magnetisierten« Händen leichte Materialien anziehen, Funken sprühen lassen oder seine Energie gar weitergeben.
    Neckische Spielchen im Salon: Der elektrische Knabe stand im Mittelpunkt zahlreicher Experimente
    Wunder und Wissenschaft lagen da noch allzu nah beieinander. Auf einem wunderschönen Kupferstich aus dem Jahr 1750 sieht man, wie sich Adelige am französischen Königshof von Versailles an einem elektrischen Knaben delektieren. Der blättert wie von Geisterhand, ohne das Papier auch nur zu berühren, in einem Buch, während ihm zugleich ein anderer die Haare zu Berge stehen lässt, indem er einen offenbar statisch geladenen Metallstab an den Kopf des Jünglings heranführt. Die junge Dame, die dabei neckisch dessen geladene Nasenspitze berührt, tut das wohl, um einen kleinen knallenden Funken zu ziehen.
    Man beginnt zu begreifen, dass diese frühen Formen der Unterhaltungselektronik trotz ihres unvermeidlich wiederholenden Charakters auch nicht schlechter waren als das, was uns das Fernsehen heute bietet – eher im Gegenteil.
    Denn solche Experimente waren ja zudem interaktiv, sie ließen sich beliebig erweitern, indem man zum Beispiel mehrere Personen einband, um Strom zu übertragen und – so alles gut ging – vielleicht am Ende gar ein Glöckchen zum Läuten zu bringen!
    Oder der elektrische Knabe gab seine Ladung an eine auf einem isolierenden Bottich (oder einem auf Kautschuk oder Flaschen stehenden Brett) stehende Maid weiter, auf dass die all jene elektrischen Fähigkeiten weitergeleitet bekäme. Der Phantasie waren bei den Versuchsaufbauten keine Grenzen gesetzt: Elektrizität war ein harmloses Gesellschaftsspiel, mit dem man zwar uneingeweihte Jungfern oder Jünglinge kurz erschrecken konnte, das aber in keiner Weise schädlich zu sein schien – viel zu klein waren die Spannungen, die man mit diesen frühen handgekurbelten Reibungs-Elektrisiermaschinen erzeugte.
    Beliebter Knalleffekt: Aufbau eines typischen Äther-Experimentes, bei dem die Flüssigkeit per Degen gezündet wird
    Allein Experimente, bei denen es auch knallte, zischte und flammte, überließ man doch eher dem mutigen, erfahrenen Manne – und führte sie nicht unbedingt im behaglichen Zuhause durch, sondern im »physikalischen Salon«, einer Art Spielzimmer für adelige oder betuchte bürgerliche Erwachsene. Die dramatischen Effekte ließen sich steigern, indem man die per elektrischem Funken ausgelöste Explosion nicht etwa mit einem profanen physikalischen Werkzeug bewerkstelligte, sondern mit einem Degen, wie ein Kupferstich aus dem Jahre 1737 zeigt.
    Streng genommen liegt die Erfindung der Unterhaltungselektronik damit also vor der Erfindung wirklich nützlicher elektrischer Apparate – erst kam das Vergnügen, dann die Arbeit.
    Auf alle Fälle aber hatte auch diese vermeintlich nutzlose Beschäftigung mit der neuen Technologie den folgenden Nebeneffekt: Als endlich nutzbringende Anwendungen erdacht wurden, standen die Geräte dafür schon bereit.

Die neue Kraft: Auf der Spur des Lebens?
    Dass Elektrizität zu mehr taugte als zum
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