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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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miteinander verbundener Gebäude, die vierte bestand aus einem offenen Bogengang. Überall wimmelte es von maskierten Menschen, ein Anblick, der für Made noch atemberaubender war, als die ganze Stadt von oben zu sehen.
    Doch Portia, die Frau, war nirgends zu finden.
    »Hör auf zu starren«, sagte Bran. »Wenn sie hier ist, hat sie sich vermutlich mit Lady Culufre ins Innere des Schlosses zurückgezogen… «
    »Wohin?«
    »Dort können wir nicht hinein. Sollte sie tatsächlich hier sein, wird sie irgendwann wieder rauskommen. Ich werde dir bei der Suche nach ihr helfen.« Bran deutete auf eine Gruppe Frauen mit hellroten Kapuzen, die an einer langen Reihe von Tischen vor dem Bogengang entlangstolzierten. »Die Priesterinnen haben das Essen geweiht. Holen wir uns etwas, solange wir noch können.«
    Diener ohne Verkleidung eilten hin und her und brachten Platten mit frischem Essen. Vor den Tischen war das Gedränge am größten, und Made wurde zunehmend gereizter, als er in verwirrender Eile von allen Seiten angerempelt, gepackt, angesprochen, ignoriert und beiseitegeschoben wurde. Ehe er sich über einen Schubser beschweren konnte, folgte auch schon der nächste.
    »Entspanne dich«, flüsterte Bran ihm ins Ohr. »Steh nicht so verkrampft herum. Und hör auf zu hüpfen.«
    »Ich mag die vielen Leute nicht«, murmelte Made. Jemand stieß mit ihm zusammen, worauf er mit dem Ellbogen zurückrempelte. »So ein Gedränge und Geschiebe, wie wilde Hunde nach einem Stück Aas.«
    »Bitte entschuldigt uns für diese unbeabsichtigte Rempelei«, sagte Bran zu einem Mann, der sich wütend die Rippen rieb, und zog Made schnell davon. »Am besten, du steckst dir immer wieder etwas zu essen in den Mund. Nicke jedem zu, der dich anspricht. Wenn es sein muss, gehen wir einfach weiter.«
    Made hatte noch nie so viel Essen auf einmal gesehen, geschweige denn eine solche Vielfalt an Gerichten: ein ganzer gebratener Bison, der Gestalt nach zu schließen, von dem ein Mann dicke Scheiben herunterschnitt, und noch viel mehr Fleisch, das an anderen Tischen geschnitten und serviert wurde, dazu Berge von Gemüse, auf kleine Stöcke gespießt und gebacken, Schüsseln mit geröstetem, in Öl eingelegtem Knoblauch, grüne und orangefarbene Melonen, in dicke, süße Streifen geschnitten, bei deren Anblick Made das Wasser im Mund zusammenlief.
    All das und noch mehr stapelten die Diener auf die hölzerne Platte, die Made von Bran zu diesem Zweck in die Hand gedrückt bekommen hatte. Am Ende der Tischreihe goss ihnen ein Diener süßes Pflaumenwasser in ihre Tonkrüge. Made stürzte das Getränk in hastigen Zügen hinunter und wollte sich erneut einschenken lassen, doch Bran gab ihm einen Stoß.
    »Trink nicht zu schnell«, mahnte er. »Wir müssen uns noch etwas Verstand bewahren. Und halte den Kopf gesenkt.«
    »Aber ich kann sie nicht sehen!«
    »Was trug sie für ein Kostüm?«
    Made wusste nicht, wie der Sperber in Brans oder Sinnglas’ Sprache hieß, und auch die Trolle kannten keinen Namen für den Vogel, weil er kein Nachttier war. Darum legte er die Hand vor sein Gesicht, um die Form des Schnabels zu zeigen. »Ein Vogel etwa in dieser Größe«, beschrieb er, aufgeregt und ein wenig beschwipst. »Sie riecht gut.«
    »Ich werde darauf achten und immer schön die Nase im Wind halten.«
    Sie gingen hin und her, aßen, tranken und warteten. Das Warten war mühsam, weil es nicht das ruhige Warten war, wie Made es kannte, wenn er jagte oder sich an seine Beute heranpirschte. Um sie herum tobte derweil ein Trubel vielfältiger Vergnügungen: Männer spielten Saiteninstrumente und bliesen auf Schilfhalmen, perlende Laute wie Vogelgezwitscher oder Wassergeplätscher, nur weitaus entzückender. Die Menge klatschte im Takt der Musik. In der Mitte des Platzes bildeten verschiedene Gruppen zum Rhythmus der Musik Muster, die sich öffneten und schlossen wie Blumenblüten. Ein Mann ließ erst Bälle in der Luft kreisen, dann brennende Fackeln. Andere stolzierten auf Holzbeinen, die so hoch aufragten wie ein riesiges Mammut.
    Made drehte den Kopf überallhin, wo er einen blauen oder rötlichen Schimmer zu sehen meinte, fand den Sperber aber nicht. Je mehr die Leute tranken, desto lauter brüllten sie, bis er Kopfschmerzen bekam von dem Lärm. Je länger er zusah, desto weniger menschlich und grotesker benahmen sich die Leute. Diejenigen, die als Rotwild verkleidet waren und sich eigentlich grazil und flink bewegen sollten, stolperten und schwankten unter
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