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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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zeigte ihr Mund ein schmales Lächeln. Worte wirbelten wild durch seinen Kopf.
    »Ah«, sagte er.
    Sie lachte ihn aus. »Jetzt bin ich an der Reihe, Euch zu überraschen. Ihr seid es doch, nicht wahr? Niemand sonst könnte sich so bewegen. Ihr gleitet so grazil durch die Menge, dass man fast schwören könnte, Ihr wärt tatsächlich eine Graukatze.«
    Made stockte der Atem.
    »Kommt schon, sagt etwas. Ich weiß, Ihr seid nicht stumm. Ich habe den ganzen Abend beobachtet, wie Ihr mit Bran geredet habt. Er ist ja nicht zu übersehen in diesem scheußlichen, viel zu kleinen Wolfskostüm.«
    Er wollte ihr so vieles auf einmal sagen: Dass seine Gefühle für sie so groß waren, dass sämtliche Berge der Welt dagegen zu einem Kieselstein schrumpften, klein genug, um ihn mit einem Biss zu verschlucken. Dass er die Erde in die Sonne werfen und sie verbrennen lassen würde, wenn sie es wünschte. Dass er in die tiefste Höhle hinabsteigen und mit immerwährender Dunkelheit für sie zurückkehren würde, wenn sie diesen Trost begehrte.
    Er schnupperte, versuchte, sich die Nase zu wischen, und verschob dabei seine Maske. »Ihr riecht gut.«
    Ihre Augen funkelten wie die Saphire an ihrer Maske. »Und Ihr stinkt nicht mehr wie ein wildes Tier wie bei unserer ersten Begegnung.«
    Das Herz klopfte ihm bis zu den Ohren, als er seine Maske zurückschob, ihre Schultern mit den Händen umfasste und seinen Mund gegen den ihren drückte, so wie er es bei anderen gesehen hatte. Ihr goldener Schnabel lief vorne spitz zu und zerkratzte ihm die Wange.
    Sie wich zurück, und er ließ sie los. Einen Herzschlag lang fürchtete er, er hätte etwas falsch gemacht, aber sie lächelte und strich sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    »Nun«, sagte sie. »Das gefallt mir schon deutlich besser als unser erstes Treffen. Sprecht rasch, dann werde ich diesen Affront vielleicht übersehen.«
    Die Sprache fiel von ihm ab wie Rinde von einem toten Baum, und die Maske, die lose an seinem Kopf hing, glitt zurück über sein Gesicht. »Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, was ich sagen möchte.«
    »Oh, ich finde, Ihr habt es bereits sehr deutlich gesagt. Zweimal schon. Aber ich finde, wir sollten uns einander richtig vorstellen.« Sie richtete sich auf. »Nennt Euren Namen, Herr, dann nennt Euer Begehr.«
    »Made«, platzte es aus ihm heraus. Dann besann er sich: »Claye.«
    »Mahdeh?«, sagte sie. »Ein geheimnisvoller Name für einen geheimnisvollen Mann. Und Claye, so simpel wie der Klee, auch wenn ich Euch niemals einen Simpel nennen würde. Noch nicht. Ich heiße Portia. Und was kann ich für Euch tun, Herr?«
    »Kommt«, bat er und streckte die Hand nach ihr aus. Komm und bleibe für immer bei mir, wollte er eigentlich sagen. »Kommt mit mir.«
    Sie gab ihm einen Klaps auf die Finger. »Ich denke nicht daran. Dazu müsstet Ihr schon bessere Manieren zeigen - und etwas mehr Ideenreichtum.«
    Er zog die Hand zurück. »Seit ich Euch sah, habe ich nur noch im Kopf, wie ich Euch glücklich machen könnte.«
    Das Lächeln schwand aus ihren Augen, die Belustigung aus ihrer Stimme. »Tatsächlich? Und eine bessere Art, um mich zu werben, fiel Euch nicht ein?«
    Er ließ den Kopf hängen. »Als ich sah, dass Ihr den Löwen jagtet, habe ich ihn Euch gebracht«, sagte er leise. »Mehr kann ich nicht tun, ehe ich nicht weiß, was Ihr wünscht.«
    »Ach, Ihr seid viel zu ernst für mich«, antwortete sie. »Dabei bin ich zu diesem Tanz gekommen, weil ich Ablenkung und Belustigung suchte.« Sie winkte jemandem hinter ihm. Ihre Dienerin eilte davon.
    »Ich… «, stotterte er.
    »Tausend Mal habe ich die Weissagungsknochen geworfen«, fügte sie rasch hinzu, »nach diesem ersten Tag, an dem ich Euch in meinem Zelt sah, und tausend Mal habe ich ihnen die gleiche Frage gestellt: Würde ich Euch je wiedersehen? Tausend Mal lautete die Antwort: Ja. Und seitdem schmiedete ich Pläne, in das Tal zurückzukehren und nach Euch zu suchen, aber der Krieg und die Ränke der Männer machten alles zunichte. Und nun steht Ihr vor mir, ausgerechnet hier, wo ich Euch nie erwartet hätte.«
    »Dann werdet Ihr also mit mir kommen?«
    Sie hüllte sich in ihre gefiederten Schwingen und deutete mit dem Schnabel auf den Balkon über ihren Köpfen. »Habt Ihr die Baronin gesehen?«
    »Ja«, erwiderte Made, ohne den Kopf von ihr abzuwenden, aus Angst, sie könnte wieder verschwinden.
    »Die Kaiserin hat in ihrer großen Weisheit entschieden, dass diese Provinz unter einem
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