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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Erfolge stiegen ihm nicht zu Kopfe. Doch war er, wie er sich ausdrückte, an der Steigerung des täglichen Krankendurchganges interessiert. Statt einen in einer Minute zu heilen, müßte es möglich sein, vier, vielleicht sogar sechs Kranke zu heilen, zehn Sekunden müßte für eine Behandlung genügen, in einer Stunde wären das
    Abends war seine rechte Hand lahm, er versuchte es mit der linken, stärkte beide Hände und Arme durch
    Seine Massenheilung brachten ihm Scharen von auswärtigen und sogar ausländischen Hilfesuchenden ein, die schon im Morgengrauen auf den Treppen
       Er sah die einzelnen Kranken und ihre Ekzeme nicht an, er wußte nicht, ob er männliche oder weibliche Kranke heilte, manchmal hätte ihn furchtsames Weinen darauf hinweisen können, daß er gerade ein kleines Kind
    Außer einem guten Gehalt empfing Waldemar Holske Prämien und Auszeichnungen von der Leitung des Medizinischen Zentrums und von Patienten Dankbarkeitsgeschenke, die von der selbstgeräucherten Haifischflossenwurst bis zum goldgerahmten sogar ein noch fast neues Luftkissenauto mit fünf Einstiegsklappen. Holske beachtete die Geschenke genausowenig wie die Kranken, die an ihm vorüberzogen und denen er meist den Rücken kehrte.

    Die Leute geben mir das aus Aberglauben, sagte er verächtlich, sie befürchten, wenn sie mir nichts schenken, könnte
           stecken noch tief im Sumpf sentimentaler Er argwöhnte, daß auch das Team, das seine Fähigkeit erforschen und analysieren sollte, ihn mystifizierte. Da das Rätsel seiner Heilerfolge nicht gelöst wurde, verfiel er in Grübeleien. Er fürchtete sich vor den Nächten, er schlief kaum noch, er hatte Lust, seinen Körper, der das Geheimnis nicht preisgab
    Schließlich kam er darauf, sich selbst mit Ekzemen infizieren zu lassen.
         längeren Kontakt mit ekzemerzeugenden Noxen und mehrfacher Infiltration von pilzhaltigen Nährlösungen widerstand seine Haut
    Das mag sein, sagte der Leiter des Teams, aber Sie sind auch kein Ekzematiker, Sie sind dafür nicht veranlagt.
    Ich bin aber ein Wenig-Magensäuerling, wandte Holske ein, solche Individuen

    In der Regel vielleicht, aber Sie sind
    Der Leiter des Teams, Professor Ralf Robert Smoguletzki, der jetzt das Buch über den Fall Waldemar H. herausbringt, versuchte den Wunderheiler zu trösten. Es
    gibt immer noch Geheimnisse, darüber sollten wir nicht traurig, sondern
    einen glücklichen Zufall
    Auf Zufälle wartete man nicht, Zufälle müssen erzwungen werden, sagte Holske,
man muß sie planmäßig
Dann sind es ja keine
Ich bin strikt gegen jeden Zufall.
    Er sah von Tag zu Tag blasser und müder aus, er magerte ab. Der Chef des Medizinischen Zentrums schlug ihm vor, Urlaub zu machen. Durch seine Heiltätigkeit sei die Zahl der Ekzemkranken stark zurückgegangen, der Tag, an dem diese Erscheinungen überhaupt ausgestorben sein würden, in Sicht. Schon heute heile Holske pro Tag nicht mehr als zwanzig Patienten, er solle sich bei jedem Fall mehr Zeit lassen.
    Holske wollte keinen Urlaub. Durch das unerforschte Geheimnis wäre ihm jede Minute seines Urlaubs unerträglich. Bei seiner Arbeit hatte er wenigstens das Bewußtsein, die Lüftung des Geheimnisses zu befördern. Daß an der Aufklärung gearbeitet wird, beruhigt mich zwar nicht, aber es macht mich nicht so unruhig, als wenn nichts
    Es lag in der Natur jenes Ekzems, daß sie es nicht erlaubt, eine Behandlung aufzuschieben. Es war quälend und äußerst ekelhaft, das Hyper-Ekzem ABK roch zudem übel, die Kranken wurden von der Umwelt wie Aussätzige gemieden, es kamen ABK-Selbstmorde
       ließen sich die wenigen Krankheitsfälle nicht sparsam auf eine längere Zeit verteilen. Eines Tages wurde die letzte Kranke, ein schwer ekzementstelltes neunzehnjähriges Mädchen in Holskes Raum
    Als die Hilfsschwester ihn beglückwünschte, dies sei die letzte Kranke, er könne sich nach dieser Heilung zur Ruhe setzen, weigerte sich der Heiler die quasisegnende
    Dieser Fall muß erhalten bleiben, damit wir hinter das Geheimnis kommen, verlangte er. Was träte ein, wenn niemals wieder jemand an dem Ekzem erkranken würde, wenn es nie wieder auftauchte? Das wäre für die Wissenschaft ein unersetzlicher Verlust. Nie würde mein Geheimnis aufgedeckt werden können. Mit dem Gedanken könnte ich nicht leben.
    Das Mädchen bot einen bedauernswerten Anblick. Es mochte einmal hübsch gewesen sein, nun war sein Körper und sein Gesicht von borkigen, blutroten, gelblichen und grauen
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