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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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Savatsky den letzten Entwurf in Ton. Es war eine kantig-massige Form, der jedoch eine gewisse Grazilität innewohnte. Die geometrischen Flächen wurden hier und da durchbrochen von kugelförmigen Elementen und zylinderförmigen Zusammenballungen: Es war ein Monster.
Savatsky betrachtete es stumm. »Und«, fragte er schließlich, »was nun?«
»Ich werde beginnen, in Stein zu arbeiten. Das heißt, die Kopierung führen im wesentlichen die Automaten aus. Meine Arbeit ist eigentlich beendet.«
»In ein paar Tagen bin ich soweit«, bemerkte Savatsky. »Sieh zu, daß du bis dahin fertig bist.«
»Ich brauche dich nicht mehr.«
»Laß es gut sein«, sagte Savatsky.
»Kann ich bleiben, bis alles fertig ist?«
»Wenn du unbedingt willst…«
    Am nächsten Morgen brachten vier Schwerlastautomaten den Granitblock ins Atelier. Zwei bewegliche Kyberneten, für Routinearbeiten dieser Art konstruiert, tasteten das Tonmodell mit Echofühlern ab und begannen den Stein zu bearbeiten. Unter den hochenergetischen Strahlen erhoben sich Nebel verdampfenden Gesteins. Wie zwei schillernde, metallische Spinnen krochen die Kyberneten über den Block. Sie arbeiteten so exakt wie kein menschlicher Steinmetz, reproduzierten zügig die gespeicherten Flächen- und Tiefenabmessungen des Modells mit der entsprechenden Vergrößerung auf den rohen Granitklotz. Grom kam sich überflüssig vor.
    Als er ins Labor blickte, war Savatsky bereits verschwunden. Zögernd trat Grom einige Schritte in den Raum hinein. Hinter einigen zylinderförmigen Konvertergehäusen stand Savatskys Schreibtisch. Grom verharrte dicht davor. Er musterte das scheinbar sinnlose Durcheinander, das sich um ihn herum auftürmte. Was hatte Savatsky vor? Worauf gründete sich seine Selbstsicherheit, sein fanatischer Glaube, der ihn mit dem Heiligenschein des Genies umgab?
    Seine Hand tastete nach der Schreibtischlade. Sie war unverschlossen. Inmitten eines Wustes von Papier, rhytagronischen Bauteilen und Werkzeug fand er ein dünnes Heft mit der Aufschrift: Arbeitstagebuch. In diesem Moment wurde ihm klar, daß er den Alten mochte. Es war eine eigenartig vertraute Zuneigung, die zwischen Achtung und Unverständnis schwankte. Beschämt legte er das Heft zurück und schloß das Fach. Was hatte er in der Märchenwelt des Alten zu suchen! Es war dessen Welt. Sein Eindringen würde sie beschmutzen. Sollte sie Savatsky allein gehören, denn dort war er glücklich. Mochte sie liegen, wo sie wollte, Millionen Lichtjahre entfernt, in einem unerreichbaren Hyperraum.
    Mit einem wehmütigen Blick überschaute er die komplizierten, summenden Apparaturen. Kaum vorstellbar, daß er sich in wenigen Tagen schon von all dem, was Savatsky war, trennen sollte.
    Am Abend kehrte Savatsky bleich und aufgeregt zurück. Er wirkte merkwürdig, um Jahre gealtert. Beim Essen redete er mehr als gewöhnlich. Er berichtete Grom von kuriosen Begebenheiten während seiner Zeit als Kommandant auf der Venus-Route.
    Nur hin und wieder drang etwas von dem, was er wohl eigentlich hatte mitteilen wollen, durch – eigenartige, nebeneinanderstehende Gedankensplitter. In verschiedenen Zusammenhängen wiederholte er den Gedanken, daß Macht über ein blindes Volk etwas Furchtbares sein könnte.
    Mitten in der Nacht erwachte Grom. Vom Gang her waren schwere Schritte zu hören. Er erhob sich und öffnete die Tür. Savatsky schleppte einen offensichtlich gewichtigen Behälter und verschwand am Ende des Ganges hinter der Tür zu den Arbeitsräumen. Als Grom das Labor betrat, war Savatsky bereits samt seinem Koffer verschwunden. Er blickte sich unentschlossen um. Albern, wie er mitten in der Nacht halbnackt umherschlich. Er wandte sich ab. Doch da kündigten in seinem Rücken die bekannten Geräusche Savatskys Rückkehr an. Als Grom herumfuhr, saß der Alte in der Kabine. Das Gesicht, von grauen Bartstoppeln überwuchert, als hätte er sich tagelang nicht rasiert wirkte in dem fahlen Licht wie eine Theatermaske. Grom starrte ihn überrascht an. Er hätte schwören mögen, ihn noch am Nachmittag glatt rasiert gesehen zu haben.
    Aus dem Halsausschnitt seines Schutzanzuges leuchtete das lichte Blau eines Hemdes, das Grom nie bei ihm bemerkt hatte. Auch entsprach der mit fremdartigen Stickereien besetzte Halssteg keiner irdischen Mode.
    Savatsky öffnete die Augen, murmelte eine Entschuldigung wegen der nächtlichen Unruhe. Er müsse in dieser Nacht noch einige Male weg, Grom solle sich nicht stören lassen.
    Als Grom am nächsten
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