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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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entschuldigte.
    Sie aß im Hotel und bestellte sich eine Flasche Vichywasser auf ihr Zimmer. Der Kellner brachte die Flasche, öffnete sie und zog sich dann zurück. Sylvia schloss die Tür ab, nahm die vier Päckchen aus der Tasche und wickelte sie aus. Nun brauchte sie nur noch die Tabletten zu schlucken und mit Wasser hinunterzuspülen. Sie zog sich aus, hüllte sich in ihren Morgenrock und setzte sich an den Tisch. Nun kam die zweite, die endgültige Sache. Sie wollte keinen Abschiedsbrief für Norbert hinterlassen. Er hatte sie längst über seiner neuen Liebe vergessen!
    Aber gerade als sie die Hand nach der ersten Tablette ausstreckte, klopfte es leise an ihre Tür.
    Sylvia hielt inne und runzelte die Stirn. Konnte man sie nicht in Frieden sterbenlassen?
    Wieder klopfte es, diesmal etwas stärker.
    Sylvia saß regungslos, und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen: Der Schlüssel bewegte sich in sachter Drehung, bis er auf den Boden des Zimmers fiel. Dann wurde leise die Klinke runtergedrückt und herein trat jener hochgewachsene Mann, mit dem sie an den Türen der Apotheken zusammengestoßen war. Er bückte sich, hob den Schlüssel auf, schloss die Tür wieder ab und setzte sich an den Tisch, der erstarrten Sylvia gegenüber.
    »Mein Name ist Jessop«, sagte der merkwürdige Eindringling. Sylvia fasste sich endlich und fragte mit zorngerötetem Gesicht: »Was machen Sie hier?«
    Er entgegnete ruhig: »Das eben wollte ich Sie fragen!«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »O doch, das wissen Sie sehr genau.«
    Sylvia wusste nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten hätte sie den Menschen hinausgeworfen. Aber sie vermochte es nicht. So fragte sie nur spöttisch:
    »Sie sind also ein Einbrecher?«
    »O nein, Mrs Craven, Sie tun mir unrecht. Ich habe doch angeklopft. Das pflegen Einbrecher im Allgemeinen nicht zu tun. Aber auf andere Weise hätten Sie mich nicht hereingelassen.«
    Er überflog die Vorbereitungen auf dem Tisch und sagte: »Ich würde es an Ihrer Stelle nicht tun. Es ist nicht so, wie Sie es sich vorstellen. Man bekommt Krämpfe und verätzt sich die Magenwände. Leistet Ihr Organismus lange Widerstand, so werden Sie entdeckt und man pumpt Ihnen den Magen aus – keine sehr angenehme Sache. Oder man gibt Ihnen Öl ein oder heißen Kaffee, und Sie werden geschlagen und gestoßen. Das ist alles sehr übel.«
    Sylvia zwang sich zu einem Lächeln.
    »Haben Sie sich vielleicht eingebildet, ich wolle Selbstmord begehen?«
    »Nicht nur eingebildet, ich bin meiner Sache sicher. Ich habe Sie von einer Apotheke in die andere rennen sehen.«
    Sylvia gab ihr Leugnen auf.
    »Ihr Benehmen ist unerhört. Gut, Sie können mich im Augenblick daran hindern und die Tabletten beschlagnahmen. Aber Sie können mich nicht daran hindern, aus dem Fenster zu springen oder mich vor einen Zug zu werfen, denn ich habe das Leben satt.«
    »Interessant!«, bemerkte er nachdenklich.
    »Nicht im Mindesten. Ich bin keine interessante Frau. Der Mann, den ich liebte, hat mich verlassen; mein einziges Kind starb an Hirnhautentzündung. Ich habe weder Verwandte noch Freunde. Und da ich auch über kein besonderes Talent auf irgendeinem Gebiet verfüge, ist mein Leben völlig sinnlos geworden. Und jetzt, Mr Jessop, lassen Sie mich bitte allein.«
    »Nun weiß ich also Bescheid«, sagte Jessop ganz gemütlich, »und wir können weiterreden. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, der besser ist als Ihre Selbstmordideen. Allerdings handelt es sich dabei um eine lebensgefährliche Sache.«
    »Ich kann mir absolut keinen Vers machen auf das, was Sie sagen.«
    »Natürlich nicht – darf ich es Ihnen daher erklären?«
    »Wenn es denn sein muss«, gab sie widerwillig nach. Aber Jessop ließ sich durch ihren abweisenden Blick nicht einschüchtern.
    »Also – Sie haben gewiss in den Zeitungen über das Verschwinden verschiedener Wissenschaftler gelesen. Vor einem Jahr verschwand ein Italiener und vor zwei Monaten ein junger Gelehrter namens Thomas Betterton.«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Wir möchten nun herausfinden, ob diese Leute freiwillig gegangen sind oder ob sie entführt oder sonst wie gezwungen wurden. Und dabei können Sie uns helfen.«
    »Ich? Wieso?«, fragte Sylvia aufs Äußerste erstaunt.
    »Ich komme gleich zum springenden Punkt. Der verschwundene Thomas Betterton ließ in England seine Frau zurück. Sie hat geschworen, nichts über den Verbleib ihres Mannes zu wissen. Aber ich glaube ihr nicht. Nun kam sie vor etwa
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