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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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Kundrow ließ sich nicht beirren. »Vielleicht werden Sie's eines Tages begreifen. Bis dahin wollen wir auf die außergewöhnlichste Frau trinken, der wir beide jemals begegnet sind.«
    Metcalfe stieß mit ihm an. »Auf Lana«, sagte er dabei. Die beiden Männer schwiegen lange und nachdenklich, bevor sie einen Schluck tranken.
    »Auf Lana, meine große, meine einzige Liebe«, sagte Metcalfe, diesmal zu sich selbst. »Auf Lana.«
    MOSKAU, AUGUST 1991
    Botschafter Stephen Metcalfe begann Stepan Menilow seine Geschichte zu erzählen: die Story von einem jungen amerikanischen Geschäftsmann, der sich vor einem halben Jahrhundert in eine schöne russische Ballerina verliebt hatte.
    Menilow hörte anfangs mit verwirrter und irritierter Miene zu, die jedoch bald gespannter Aufmerksamkeit wich. Sein Blick ließ Metcalfe nicht mehr los.
    Noch bevor Metcalfe fertig war, rief der »Dirigent« wütend aus: »Das ist doch ein Trick! Irgendeine Taktik, die Ihre Spezialisten für psychologische Kriegsführung ausgearbeitet haben! Aber damit kommen Sie bei mir nicht durch!«
    Metcalfe zog mit zitternden Händen die Pistole aus der Innentasche seines Jacketts.
    Menilow starrte sie wie vom Blitz getroffen an. »Boshe moj«, flüsterte er.
    Metcalfe hatte jedes Mal einen traurigen Stich ins Herz gespürt, wenn er die reich verzierte Duellpistole betrachtete. Er würde niemals jenen Tag vor fünfzig Jahren vergessen, als er nach der Nachricht, Lana sei hingerichtet worden, im Washingtoner Hotel Hay-Adams auf dem Tiefpunkt seines betrunkenen Elends ein schweres Paket erhalten hatte, das ein Bote aus der sowjetischen Botschaft, bei der es als Kuriersendung aus Moskau eingegangen war, herübergebracht hatte. In der Kiste lag, sorgfältig in Holzwolle verpackt, eine Pistole mit reich geschnitzten Griffschalen aus Walnussholz und stilisierten Flammen auf dem Lauf. Er erkannte sie sofort als eine der beiden Duellpistolen, die Lana ihm gezeigt hatte. Sie hatten einst Puschkin und später ihrem Vater gehört, wie er sich erinnerte. Eine nicht unterschriebene Mitteilung - zweifellos von Kundrow - besagte, Lana habe ihm die Pistole in einem Brief, ihrem letzten Brief aus der Lubjanka, vermacht. Metcalfe war von dem kostbaren Geschenk gerührt, das zugleich signalisierte, dass ihr Vater tot war, und er fragte sich, warum sie ihm nur eine der beiden Pistolen vermacht hatte. Diese rätselhafte Entscheidung hatte ihn lange beschäftigt und stets zutiefst bekümmert.
    »Nimm sie!«, forderte er sein Gegenüber auf.
    Stattdessen zog Menilow eine Schreibtischschublade auf und nahm ebenfalls eine Duellpistole heraus, deren Griffschalen aus Walnussholz teils geriffelt, teils mit Blattwerkschnitzerei reich verziert waren, während der achteckige Stahllauf brüniert und mit stilisierten Flammen geschmückt war.
    »Die fehlende Hälfte des Paars«, sagte der Russe.
    »Deine Mutter hat mir erzählt, sie hätten einst Puschkin gehört«, sagte Metcalfe.
    Menilows blasses Gesicht war leicht gerötet. Er sprach langsam und stockend. »Ich wusste nicht, wer du bist«, sagte er. »Mutter hat dich Stiwa genannt - nur Stiwa. Aber sie hat mir deinen Namen gegeben.« Er sprach wie in Trance. »Meine babuschka hat mir erzählt, Mutter sei nicht überrascht gewesen, als die Tschekisten kamen, um sie abzuholen. Sie sei heiteren Sinnes mitgegangen. Sie habe gesagt, sie wisse, dass ihr Stiwa sie liebe. Und sie werde stolz jedes Opfer bringen, das von ihr verlangt werde.«
    »Du kannst damals höchstens sechs gewesen sein«, brachte Metcalfe endlich heraus. In Stalins Russland wäre ein russisches Kind, dessen Vater Amerikaner war, stets ein Mensch zweiter Klasse gewesen. Er wäre immer verdächtig gewesen. Lana musste gewusst haben, dass sie Stepan nur schützen konnte, indem sie Metcalfe nie von seinem Sohn erzählte.
    »Ja. Ich habe natürlich nur sehr wenige Erinnerungen an sie. Aber es gab viele Fotos, und ihre Großmutter - die ich meine babuschka nannte - hat mir oft von ihr erzählt, um die Erinnerung an Mutter wach zu halten. Ich weiß, dass sie eine sehr tapfere Frau war.«
    Metcalfe nickte. »Tapferer als alle, denen ich jemals begegnet bin. Und ich weiß, dass sie dir diese Tapferkeit vererbt hat. Die gemeinsame Geschichte unserer Nationen steckt voller Fehlentscheidungen, voller schrecklicher Irrtümer. Du hast Gelegenheit, die Dinge in Ordnung zu bringen, den richtigen Schritt zu tun, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Und ich weiß, dass du es tun
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