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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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Recht. Sie kennen Moskau aus Perspektiven, von denen kein anderer etwas ahnt.«
    »Schon möglich. Ich weiß, dass ich die sowjetische Führung hasse, aber das russische Volk liebe.«
    Kundrow gab keine Antwort, aber Metcalfe glaubte zu wissen, was der Russe dachte. Keiner der beiden würde Kundrows Versuch, in den Westen überzulaufen, jemals wieder erwähnen. Auch das war ein Geheimnis, das am besten für immer begraben blieb.
    Metcalfe setzte ein Pokergesicht auf. »Ein seltsamer Zufall, dass wir heute Abend beide auf die Idee gekommen sind, einen Spaziergang im Park zu machen, nicht wahr?«
    »Ihr Präsident stirbt«, sagte Kundrow. »Auch Hopkins ist todkrank. Vielleicht verschenken sie deshalb den Laden, wie ihr Amerikaner sagt.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Metcalfe besorgt.
    »Ihr gebt Stalin alles, was er in Berlin haben will. Ihr überlasst ihm Polen. Als Folge eurer nachlässigen Verhandlungsführung hier in Jalta wird der Kreml ganz Osteuropa beherrschen, darauf können Sie Gift nehmen. Und euer Präsident hält nicht zu Churchill, was Churchill sehr verärgert. Das macht Stalin umso kühner.«
    »Woher wissen Sie, was Churchill privat mit Roosevelt bespricht?«
    »Wozu bin ich Ihrer Auffassung nach hier? Unsere Geheimdienstleute arbeiten die Nächte durch, um Roosevelts Privatgespräche zu transkribieren und ins Russische zu übersetzen, damit Stalin sie auf dem Frühstückstisch vorfindet.«
    »Sie haben in der Präsidentensuite Wanzen versteckt?«
    »So naiv sind Sie bestimmt nicht, Metcalfe. Sie wissen, wie wir arbeiten. Jedes Wort, das Ihr Präsident spricht, wird zu einer Horchstation ganz in der Nähe gesendet. Das weiß ich, weil ich diese Horchstation befehlige.«
    Metcalfe lächelte. »Die Ironie des Schicksals liegt darin, dass ich trotz Ihres Eingeständnisses nichts dagegen tun kann. Selbst wenn ich Roosevelt warnen wollte, würde man mir nicht glauben.«
    »Genau wie meine an Stalin gerichteten Warnungen unbeachtet geblieben sind. Wir sind beide nur kleine Rädchen in einer großen Maschinerie. Vielleicht gelangen wir später einmal in Positionen, in denen wir den Kurs unserer jeweiligen Regierungen beeinflussen können. Bis dahin müssen wir tun, was wir können. Und wir müssen dabei stets an das Gute denken, das wir schon getan haben.«
    »Und an das Schlechte.«
    Kundrow bedachte Metcalfe mit einem traurigen Lächeln, sagte jedoch nichts. Aus der Brusttasche seiner Uniformjacke zog er ein zusammengefaltetes Blatt grobes Papier. »Unmittelbar vor ihrer Hinrichtung durch den NKWD durfte grashdanka Baranowa noch einen Brief schreiben.« Er übergab ihn Metcalfe. Das Blatt war mit Lanas feiner Schrift bedeckt, aber die Tinte war an vielen Stellen ausgelaufen.
    »Von ihren Tränen«, sagte Kundrow ruhig, als er Metcalfes fragend hochgezogene Augenbrauen sah.
    Metcalfes Hände zitterten, und Tränen liefen ihm übers Gesicht, als er den Brief im blassen Mondschein las. Als er fertig war, hob er den Kopf. »Mein Gott«, flüsterte er.
    »Wie tapfer diese Frau war!«
    »Sie hat gewusst, dass der Plan, den wir ausgeheckt hatten, nur eine halbe Sache war. Dass die Deutschen voraussichtlich nicht darauf hereinfallen würden. Sie war davon überzeugt, nur ihre Hinrichtung könne Hitlers Generalen beweisen, dass sie eine echte Spionin gewesen sei.«
    »Sie hätte lügen können!«, rief Metcalfe aus. »Sie hätte mit mir nach Amerika fliehen können . « Er konnte nicht fortfahren. Er konnte die Worte nicht aussprechen.
    Kundrow schüttelte den Kopf. »Sie wusste, dass ihre Heimat Russland war, und sie wollte dort begraben werden. Sie hat Sie sehr geliebt, aber sie wusste, dass sie Ihren Plan nur retten konnte, indem sie sich selbst opferte. Und das hat sie nicht nur für Russland und um der Freiheit willen, sondern auch für Sie getan.«
    Metcalfe spürte, wie seine Knie weich wurden. Er fürchtete, er könnte zusammenklappen, so kraftlos war er plötzlich.
    »Wir müssen in den Großen Ballsaal zurückgehen«, sagte Kundrow.
    Als sie den Saal betraten, servierten Ober ihnen je ein Glas besten armenischen Cognacs. Gleich würde eine weitere endlose Runde von Trinksprüchen beginnen.
    Kundrow hob sein Glas zu Metcalfes, trat einen halben Schritt näher, sagte leise: »Ihr Opfer war größer, als wir je erwartet hatten.«
    Metcalfe nickte.
    »Und ihr Geschenk an Sie - das Geschenk der Liebe - war größer, als Sie jemals begreifen werden.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Metcalfe.
    Aber
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