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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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Augen waren rot gerändert.
    »Sie sollten sie im Schloss abholen - was ist passiert? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Kundrow schüttelte nochmals den Kopf. »Sie war nicht da.«
    »Was soll das heißen, sie war nicht da?«
    »Von Schüssler war da. Sie war fort.«
    »Fort? Was zum Teufel soll das heißen - fort? Der NKWD hat sie früher abgeholt, ist das passiert? Verdammter Kerl, ist sie früher abgeholt worden? Wie konnte das passieren?«
    »Nein!«, sagte Kundrow schreiend laut. »Sie hat von Schüssler erzählt, ihr Vater sei plötzlich erkrankt, und sie müsse dringend nach Moskau zurück. Sie hat ihn gebeten, sie sofort zum Bahnhof bringen zu lassen.«
    »Aber das war eine List, das hat sie gewusst!«
    Kundrow schüttelte langsam den Kopf. Er sprach jetzt leise und monoton wie ein Hypnotisierter. »Von Schüssler war sehr besorgt um sie, aber sie hat darauf bestanden, sofort zum Bahnhof gebracht zu werden. Schließlich hat er seinem Chauffeur den Auftrag gegeben, sie zum Ostbahnhof zu fahren.
    Der Chauffeur hat festgestellt, dass der Daimler verschwunden war - ich sehe jetzt, wo er geblieben ist -, und sie mit einem anderen Wagen hingefahren.«
    »Ist sie entführt worden?«
    »Das bezweifle ich sehr. Sie ist offensichtlich freiwillig hingegangen.«
    »Aber weshalb?«, rief Metcalfe aus. »Warum hat sie das
    getan?«
    »Ich will Ihnen etwas erzählen. Ich habe ein Dossier mit mindestens zweitausend Seiten über diese Frau geschrieben. Ich habe sie länger und genauer beobachtet, als jemals irgendein Sowjetbürger überwacht worden ist. Ich bin ihr jahrelang auf Schritt und Tritt gefolgt. Aber trotzdem kann ich nicht behaupten, sie zu verstehen.«
    Metcalfe sah zu dem mondhellen Nachthimmel auf. Das leise, hohe Surren, das er seit ungefähr einer Minute fast unbewusst wahrgenommen hatte, war zum typischen Kreissägengeräusch einer Lysander geworden. Jetzt erschien das Flugzeug dicht über dem Horizont.
    »Die Fackeln!«, rief Metcalfe laut.
    »Wozu?«, fragte Kundrow nur. »Was wollen Sie ohne sie?«
    »Jesus!« Die beiden Männer standen wie erstarrt da und blickten zum Himmel auf, während die Lysander langsam eine Runde über dem Landeplatz flog. Im nächsten Augenblick war sie im Tiefflug verschwunden.
    Metcalfe sah erneut auf seine Uhr. »In knapp einer Stunde hält der Schnellzug nach Moskau am Ostbahnhof. Wenn wir rasen wie verrückt, können wir's gerade noch schaffen.«
    Sie erreichten das an eine gotische Kathedrale erinnernde Bahnhofsgebäude mit seiner unbeleuchteten schmutzig grauen Fassade, durch deren hohe Fenster nur ein schwacher gelblicher Lichtschimmer drang. Der Bahnhof war fast menschenleer; ihre Schritte hallten unter dem hohen Dach wider, als sie weiterrannten und nur kurz stehen blieben, um sich zu vergewissern, zu welchem Bahnsteig sie mussten.
    Der Bahnsteig war verlassen. Der Schnellzug nach Moskau stand dort; in den abgedunkelten Abteilen waren schlafende Reisende zu sehen. Als die beiden den Bahnsteig hinunterrannten, kündigte eine weibliche Lautsprecherstimme die bevorstehende Abfahrt an.
    In der Nähe des Bahnsteigendes stand eine kleine Gruppe von Männern in dunklen Anzügen und Wintermänteln: anscheinend die einzigen Reisenden, die in Berlin zustiegen. Metcalfe rannte schneller als jemals in seinem Leben, ignorierte seine Schmerzen und hatte nur Lanas Gesicht vor sich. Die Männer waren jedoch eingestiegen, als er ihren Waggon erreichte, und er konnte keine Frau zwischen ihnen erkennen. Ist sie wirklich hier? Sitzt sie schon im Zug?
    Wo ist sie? Am liebsten hätte er laut ihren Namen gerufen, wie er's innerlich ständig tat. Sein Herz jagte; Panik durchflutete seinen Körper.
    Wo ist sie?
    Kundrow holte ihn, vor Anstrengung keuchend, ein.
    »Das waren Männer vom NKWD. Diese Typen kenne ich nur allzu gut. Sie muss schon im Zug sein. Die Kerle sind ihre Bewacher, die sie nach Moskau begleiten sollen.«
    Metcalfe nickte wortlos. Er starrte durch die Fenster des Waggons, in den die Männer eingestiegen waren, ging langsam weiter und suchte ängstlich und verzweifelt jedes Abteil ab.
    Lana! Innerlich schrie er.
    Dann rief er laut: »Lana! Lana!«
    Die Druckluftbremsen lösten sich zischend, dann erwachte der Zug zum Leben und fuhr langsam an. Metcalfe rannte neben ihm her, starrte in jedes Abteilfenster und schrie ihren Namen.
    »Bitte, Lana! Oh Gott, wo bist du?«
    Dann sah er sie.
    Sie saß in einem Abteil erster Klasse und hatte links und rechts einen der dunkel gekleideten
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