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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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wichtige Papiere aus seinem Arbeitszimmer verschwunden waren, und er würde sofort seine Frau, seine Tochter und das Personal zur Rede stellen. Anschuldigungen würden hin und her fliegen. Vielleicht um die Ehre des Personals zu retten, würde eine der Köchinnen berichten, sie habe gesehen, wie der junge Herr direkt aus dem Arbeitszimmer die Treppe heruntergekommen sei.
    Und dann wäre Eigen der Hauptverdächtige gewesen, selbst wenn der Hausherr sich nicht sicher sein konnte, dass Daniel die Papiere entwendet hatte. Und seine Tarnung - sein größtes Kapital - wäre dahin gewesen. Das durfte er unter keinen Umständen riskieren.
    Natürlich gab es noch andere Wege, auf denen er das Haus verlassen konnte. Beispielsweise konnte er auf der Personaltreppe in den zweiten oder dritten Stock hinaufsteigen und über einen der zweifellos dunklen Flure zu einer der anderen Treppen gehen. Über diese konnte er auf den Hinterhof gelangen, der früher als Abstellplatz für Kutschen gedient hatte und jetzt in einen kleinen Park umgewandelt worden war. Diese Fläche auf der Rückseite des Hauses war von einem hohen Holzzaun mit verschlossenem Tor umgeben. Daniel konnte über den Zaun klettern, aber er war sich sicher, dass er von einem der auf den Park hinausführenden Fenster des Ballsaals aus gesehen werden würde. Ein Mann im Smoking, der durch den Park rennt und über den Zaun klettert ... Nein, er würde todsicher entdeckt werden.
    Es gab nur einen sicheren Weg, das Hotel du Chätelet zu verlassen.
    Eine Minute später hatte er das Dachgeschoss erreicht, in dem sich die Dienstbotenzimmer befanden. Hier waren die Decken niedrig und schräg, und der Fußboden bestand nicht mehr aus Marmor, sondern aus knarrenden alten Fichtenbrettern.
    Um diese Zeit hatte er das Dachgeschoss für sich allein; das gesamte Personal war unten beschäftigt. Der junge Mann hatte die Gegebenheiten im Voraus erkundet - nicht etwa, weil er damit rechnete, irgendwann aus dem Haus flüchten zu müssen, durchaus nicht, sondern weil er sich stets einen Notausgang offen halten wollte. Das war seine bewährte Arbeitsweise, die ihm schon mehrmals das Leben gerettet hatte.
    Er wusste, dass es hier eine Möglichkeit gab, aufs Dach hinauszuklettern, und da dieses kleine Palais mit anderen Stadthäusern eine lange Gebäudereihe bildete, musste es zahlreiche Fluchtwege geben.
    Das Hotel du Chätelet hatte ein Mansardendach mit Dachgauben, in die Sprossenfenster eingesetzt waren. Ein Blick genügte, um ihm zu zeigen, dass alle aufs Dach hinausführenden Fenster in den Personalzimmern auf der Vorderseite des Gebäudes lagen. Obwohl es unwahrscheinlich war, dass die Dienstboten ihre Zimmer abschließen würden, atmete er erleichtert auf, als sich gleich die erste Tür öffnen ließ.
    Das Zimmer war winzig und mit Bett, Kommode und Kleiderschrank sehr spärlich möbliert. Erhellt wurde es von blassem Mondschein, der durch staubige Fensterscheiben hereinfiel.
    Er lief ans Fenster, zog dabei den Kopf ein, um ihn sich nicht an der Dachschräge anzuschlagen, und packte den Fenstergriff. Diese Fenster wurden anscheinend nicht oft geöffnet. Unter Aufbietung seiner ganzen Kraft gelang es ihm jedoch, erst einen Flügel und dann den zweiten aufzureißen.
    Während eiskalte Nachtluft hereinströmte, sah er hinaus und fand bestätigt, was er vor einigen Tagen festgestellt hatte, als er sich das Hotel du Chatelet von außen angesehen hatte. Das Fenster führte direkt auf ein geteertes Steildach hinaus, das ungefähr drei Meter weit zu einer Dachbrüstung abfiel. Die Brüstung, ein hoher, reich verzierter Steinwall, würde ihn vor den Blicken etwaiger Passanten schützen. Zumindest solange er sich auf dem Dach dieses Gebäudes bewegte.
    Die benachbarten Gebäude, die in anderen Varianten des Empirestils erbaut waren, hatten keine Dachbrüstungen. Nun, er würde nehmen müssen, was er an Deckung finden konnte.
    Der Teer auf dem Dach war im Lauf vieler Jahre in der Sommerhitze blasig und faltig geworden. Jetzt war er eisglatt und mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Dieser Untergrund konnte tückisch sein.
    Daniel würde mit den Füßen voraus hinausklettern müssen, was nicht leicht sein würde, weil die Abendkleidung seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Und seine Schuhe mit Gummisohlen eigneten sich zwar gut dafür, durch Häuser zu schleichen, aber sie waren keine Kletterstiefel. Der Ausflug über die Dächer würde nicht leicht werden.
    Er packte den Oberrand des
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