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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun
Autoren: Iris Kammerer
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Gefreiten den Tribun aus dem Kettenhemd befreite und ihm den Mantel wieder umlegte.
    »Glatt durchgefallen, Rekrut. Du weißt, was das bedeutet.«
    Als der Verletzte den Kopf neigte, zuckte er ächzend zusammen. Der Tribun drehte sich rasch, dass der Umhang in gemessenem Schwung um ihn flog, und kehrte zu den Centurionen zurück. Der größere presste die Lippen so fest zusammen, dass nur ein schmaler, leicht abwärts gebogener Strich in seinem Gesicht zu sehen war. Der Stecken klopfte gegen seine Wade; er würde den Rekruten die peinliche Lage spüren lassen.
    »Das übliche Verfahren«, rief Cinna ihm zu. »Härteres Training, gekürzte Rationen, Gerste statt Weizen, kein Wein. In einem Monat sehen wir weiter.«
    Der Centurio nickte, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Die anderen kannst du zur kämpfenden Truppe zählen«, fügte der Tribun hinzu. »Ich lasse euch morgen die Liste mit den Versetzungen zukommen.«
    Mit einem beiläufigen Gruß verließ Cinna den Übungsplatz und machte sich auf den Weg zum Tor, im Gefolge die Gefreiten.
    *
    Achtlos warf Cinna den Mantel von seiner Schulter und verfehlte knapp den Schemel. Als er den Raum durchmaß, flackerten die Öllampen im Kandelaber auf. Mit einem Seufzer ließ er sich in das Polster des Sessels fallen, sah den Um hang auf dem Boden und runzelte die Stirn.
    »Damon!«
    Ein blasser halbwüchsiger Junge huschte herein; sein Blick folgte dem Fingerzeig seines Herrn. Er hob den Mantel auf und klopfte sorgfältig die Schmutzkrusten vom Saum, während er hinausschlich. In der Tür begegnete ihm ein Soldat, der ein rundes Tablett hereintrug, um es neben dem Sessel auf einem Dreifuß abzustellen.
    »Waren die Prüfungen erfreulich, Tribun Cinna?«, fragte er.
    Anstelle einer Antwort verzog der Angesprochene das Gesicht zu einem schiefen Lächeln und tippte auf einen dunklen Bluterguss an seinem rechten Unterarm.
    »Geht das nicht etwas schneller, Damon?«, rief er in den Gang hinaus.
    Wieder erschien der Junge, diesmal mit zwei bronzenen Becken, Tüchern und einem gefüllten Wasserkrug in den Händen. Demütig näherte er sich und kniete vor dem Offizier nieder. Er füllte beide Becken, ehe er das kleinere seinem Herrn hinhielt. Nachdem Cinna sich die Hände gewaschen hatte, wandte er sich dem Tablett zu, auf dem ein Imbiss wartete – Brot, Käse, Oliven und verdünnter Wein. Lustlos stocherte er in den kleinen Schüsseln herum, während Damon seinem Herrn die Schnürsenkel aufband, die Stiefel auszog und die Füße badete, ohne ein einziges Mal aufzublicken.
    »Gibt es etwas, das ich wissen sollte, bevor ich zum Hause des Legaten gehe?«, fragte Cinna den Soldaten, der immer noch neben ihm stand.
    »Lucius Asprenas empfing heute einige Edle vom Stamm der Chatten. Sie brachten die üblichen Geschenke und beschwerten sich über die Steuereintreiber.«
    Cinna setzte den Becher an die Lippen und nahm einen tiefen Zug vom verdünnten Wein. Eine weitere langweilige Anhörung, die ihm erspart geblieben war. Der Junge war hinausgeeilt und mit frischer Kleidung über dem Arm zurückgekehrt. Langsam erhob sich Cinna, schälte sich aus dem Waffenrock und schlüpfte in die blassgelbe Tunica, die der Sklave ihm aufgefaltet hatte.
    »Beschwerden über Publius Quinctilius Varus und seine Maßnahmen in der Rechtsprechung?« Er ließ zwei Oliven mit einem Bissen Brot zwischen den Zähnen verschwinden.
    »Nein, das ist wohl ausgestanden, Tribun.«
    »Dann wird das heutige Essen zumindest angenehmer ausfallen als die vorherigen.« Cinna langte nach einem Tuch und betupfte die Lippen.
    Damon legte ihm den Mantel um und drapierte einen Teil in einem sorgsam gefalteten Bausch über die Schulter seines Herrn zurück, wo er alles mit einer Fibel befestigen wollte.
    Die Spitze der Nadel stach in Cinnas Schulter. Hart traf seine Hand das Gesicht des Jungen, der zurückzuckte. Die bronzene Fibel schlug auf den Dielen auf.
    »Pass doch auf, Dummkopf!«
    Damon stand wie angewurzelt vor seinem Herrn, den Kopf gesenkt in Erwartung weiterer Strafen. Cinna wies auf den Boden. »Heb’s schon auf, und stell dich nicht dümmer an, als du bist.«
    Er nickte dem Soldaten zu, der knapp grüßte und, nicht ohne einen mitleidigen Blick auf den Jungen zu werfen, hinausging. Flink hatte Damon die Fibel aufgeklaubt und dabei einen kleinen Abstand zwischen sich und seinen Herrn gebracht. Doch dieser winkte den Sklaven wieder zu sich und deutete wortlos auf seine Schulter.
    »Es … tut mir Leid, Herr«,
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