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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun
Autoren: Iris Kammerer
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lautlos näherte.
    »Andererseits hast du fast ein Jahr bei den Barbaren gelebt, kennst ihre Sitten und Gebräuche, den einen oder anderen Fürsten, ihre Art zu kämpfen, ihre Art Verhandlungen zu führen … Du könntest uns nützlich sein.« Tiberius drehte sich um, wandte sich an den in stummer Unterwürfigkeit verharrenden Sekretär. »Würden wir ein Gesetz brechen, Polygnetus?«
    »Ich verstehe nicht, Herr …« Der Angesprochene verstummte, als Tiberius einen Finger auf die Lippen legte.
    »Wir müssen ein paar Schwierigkeiten bewältigen, Polygnetus: Der Sohn des Gnaeus Cornelius Cinna Magnus ist vor acht Monaten für tot erklärt worden. Sein Vater starb zu Beginn des Jahres ohne einen legitimen Erben und hinterließ sein gesamtes Vermögen dem Augustus – auf eigenen Wunsch, wohlgemerkt.«
    Als Cinna die Hand zum Einspruch hob, verzog Tiberius das Gesicht zu einem anzüglichen Grinsen. »Ich las Berichte über einen ehrgeizigen jungen Stabsoffizier, der – wenn man den Gerüchten glauben darf – sich an die Frau seines Befehlshabers heranmachte. Es ist etwa ein Jahr her. Er wurde mit seiner Eskorte überfallen und getötet. – Hast du mich verstanden?«
    »Einige Vorgänge sind ohnehin nicht umkehrbar«, warf der Freigelassene ein, »zumal der Mann, der vor uns steht, nicht existiert, Herr, Ihr also mit ihm nach Eurem Gutdünken verfahren könnt.«
    »Ich weiß, dass ich die Aufgabe gar nicht lösen muss, Polygnetus.« Ein weiteres anzügliches Lächeln begleitete seine Worte. »Nehmen wir einmal an, ich würde das Bürgerrecht dieses Mannes wiederherstellen und ihm unter gewissen Bedingungen das Mädchen überlassen …«
    »Ersteres wäre der übliche, gesetzliche Vorgang, letzteres vielleicht unüblich, Herr, aber nicht ungesetzlich.«
    »Nonius Asprenas hat diesem jungen Mann ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt, was seine Qualitäten als Bürger angeht. Andererseits hat er deutlich gemacht, dass er ihm die Aufgabe, Segestes aufzusuchen, übertragen hatte, weil er ihn für äußerst fähig hielt, und dass diesen Mann sicherlich keine Schuld am Scheitern der Mission trifft. Trotz all seiner sittlichen Verfehlungen hält Asprenas ihn für einen tüchtigen Offizier, was bedeutet, dass ich ihn für unsere Pläne gut gebrauchen kann. Und wahrscheinlich …«
    Tiberius hatte sich Cinna langsam, beinahe schleichend genähert, die Blicke auf Sunja heftend, die den Mantel noch enger um sich zog. »Wahrscheinlich wird die Familie dieses Mädchens verärgert sein, wenn die Tochter in die Sklaverei gerät, obwohl sie damit rechnen müssen. Anders gesagt, würde es diese Leute sicher gewogen stimmen, wenn sie davon verschont bliebe. Immerhin haben sie römisches Bürgerrecht – außerdem sieht es so aus, als ob sie diese seltsame Verbindung … anerkennen.«
    Eine harte Wende ließ die Toga rauschen, ehe er mit wenigen Schritten wieder zu seinem Sekretär trat. »Wenn ich also diesen Mann zu einem plebeischen Gaius Cornelius Cinna mache, ihm Offiziersrang verleihe und das Mädchen überlasse, kann ich auf diesem Wege einen weiteren kleinen Keil in den Stamm treiben. Immerhin handelt es sich um zweihundert Krieger, die diesem Arminius und seinen Mitverschwörern nicht länger zur Verfügung stehen. Krieger, die wir eines fernen Tages vielleicht unseren eigenen Hilfstruppen einverleiben können. Das wäre durchaus wünschenswert, nicht wahr, Polygnetus?«
    »Ja, das wäre es, Herr.«
    Während Tiberius noch hin und her wanderte, mit den Fingerspitzen seinen Nasenrücken rieb, als spüre er eine alte Verletzung, nahm Cinna wahr, dass Sunja ihm eindringlich zuflüsterte, Saldir befinde sich in einem Haus außerhalb des Lagers, streng bewacht von der Frau irgendeines Centurios.
    Tiberius blieb stehen und sah ihn scharf an. »Gaius Cornelius Cinna, ich brauche deine unverbrüchliche Treue – als Offizier, der über unschätzbare Kenntnisse verfügt und hinter den Linien operieren wird.«
    »Wenn dieses Mädchen und seine Schwester meiner Obhut –«
    »Beide Mädchen?«, unterbrach Tiberius ihn, die Augen noch größer, noch durchdringender als zuvor. »Eigentlich hast du Recht. Erst wenn ich dich auf diese Weise an unsere Aufgabe und ihre Familie wiederum an dich binde, wird ein Paar Stiefel daraus – nicht wahr, Polygnetus?«
    Er stieß den Zeigefinger gen Decke. »Kraft meiner Befehlsgewalt stelle ich, Tiberius Iulius und so weiter – du weißt ja, was du alles schreiben musst, Polygnetus –, das
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