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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun
Autoren: Iris Kammerer
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Raum mit wenigen strammen Schritten, während der andere sich dem Ausgang zum Innenhof näherte. Cinna begriff und ließ sich widerspruchslos hinausbegleiten in den Schatten eines Säulenganges, wo sich die Wärme des Sommertages staute.
    Mit rhythmischem Getöse näherte sich ein Trupp Soldaten vom hinteren Teil des Hofes. Schwerbewaffnete eskortierten einen Mann, bei dessen Anblick Cinna stutzte. Sorgfältig bewacht befand Hraban sich in ihrer Mitte. Während die beiden Begleiter ausweichen wollten, blieb Cinna mitten im Gang stehen, und war selbst erstaunt, als der Unteroffizier, der dem Trupp voranmarschierte, Halt gebot. Ohne zu zögern, trat Cinna in den Ring, blieb dicht vor Hraban stehen, schüttelte die Hand ab, die nach ihm griff. Wieder umschlossen Fäuste seine Arme, wollten ihn zurückreißen, bis sie auf einen knappen Befehl hin innehielten, ohne ihn jedoch freizugeben.
    »Werden sie dich wieder gehen lassen, oder bist du jetzt ein Gefangener?«
    Hraban räusperte sich. »Ich kann gehen, aber ich habe keine guten Nachrichten für meinen Vater.« Ein weiteres Räuspern, dann schluckte er und atmete durch. »Wir werden keine Hilfe zu erwarten haben – im Gegenteil erwartet man von uns, dass wir bis auf weiteres in diesem Stammesbündnis verbleiben. Man vertraut uns nicht. Man argwöhnt, wir wollten uns nur herausstehlen.«
    Pfeifend stieß Cinna Luft zwischen den Zähnen aus. Die stolzen Mauern würden die Bewohner der Burg nicht lange schützen können, nicht gegen Belagerer. Aber dass jemand einen Teil des Heeres in das Kernland der Germania schicken würde, um ihnen Entsatz zu bringen, daran glaubte auch Cinna nicht. Nicht mehr, seitdem er die Macht dieses Heeres an sich selbst erfuhr. Er hätte es wissen müssen. Der unzeitige Tod seines Vaters hatte ihn mittellos zurückgelassen, der Willkür der Mächtigen ausgeliefert, deren Schergen ihn festhielten.
    Er riss sich los, selbst überrascht, wie leicht es war, die Hände abzuschütteln, packte Hrabans Schultern und starrte in dessen gleichmütige Miene, in der nur einen Augenblick lang die Überraschung aufgeleuchtet hatte, ehe er den Griff erwiderte. Hrabans Stirn berührte seine, die Hände lagen schwer auf seinen Schultern, dann wurden sie auseinander gezerrt.
    »Wie steht es um deine Wiedereinbürgerung?«
    Jetzt war es an Cinna, die Kehle von einem Kloß zu befreien. »Mein Vater starb zu Beginn des Frühjahrs.« Er kämpfte gegen die lähmende Kälte in seinen Gliedern, die es seinen Bewachern leicht machen würde, ihn wegzuzerren, und hoffte, dass sie die kehlige Sprache, in die er verfiel, nicht verstanden. »Nach seinem Tod gab es niemanden, der das Erbe antreten durfte. Meine Familie ist erloschen, das Vermögen fiel an Caesar Augustus.«
    »Nettes Gesetz«, blaffte Hraban, als sich die Eskorte nach einem scharfen Befehl wieder in Bewegung setzte. »Du siehst, dass die Weigerung, über deine Auslieferung zu verhandeln, mehr als einen Grund hatte.«
    »Was ist mit Sunja und Saldir?«, rief Cinna ihm nach. »Wo sind sie?«
    Doch er erhielt keine Antwort. Der Laufschritt der Soldaten, das Rasseln ihrer Waffen, die genagelten Sohlen auf dem Stein übertönten seine Stimme und das, was Hraban vielleicht darauf zu antworten versuchte. Als er, dem Druck seiner Bewacher folgend, weiterging, schwelte in ihm der Wunsch, dem Freund niemals wieder zu begegnen – es könnte nur in einer Schlacht und nur auf gegnerischen Seiten geschehen.
     
    Sie schoben ihn in einen Raum, größer als der vorige. Die Wände zierten Säulen und Pfeiler, zwischen denen trügerische Straßenfluchten und Gärten leuchteten, farbenprächti ge Blüten und Bäume voller stummer Vögel. Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster dicht unter der Decke auf bunte Teppiche. An einer der Stirnwände stand eine Kline, auf der eine Frau kauerte, den Kopf gesenkt und vom fließenden dunkelblauen Mantel bedeckt, in den sie sich verkrochen hatte.
    Er erkannte sie an den Händen, die sich aneinander festhielten, denn mehr als diese Hände und zwei ordentlich nebeneinander stehende, weißlederne Schuhspitzen waren nicht zu sehen. Er durchquerte den Raum und berührte sie an der Schulter, noch ratlos, unschlüssig, wie er ihr begegnen sollte, nachdem seine Hoffnungen zerstört waren. Unversehens sprang sie auf die Füße, flog ihm um den Hals, doch was er einen Augenblick lang für Freude gehalten hatte, verriet sich in der heftigen Umklammerung als Verzweiflung. Das Gesicht presste sie an
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