Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
würde, um sie zum Essen zu rufen oder sich schlafen zu legen, selbst Durst und Hunger verloren die Bedeutung. Sie machte sich nicht die Mühe, die Decke unter sich hervorzuzerren, befreite sich flink aus Kleid und Hemd, und obwohl sie auch unter seinen Händen nicht aufhörte zu weinen, versicherte ihm jede ihrer Regungen, dass sie in ihm nicht den Mörder ihres Bruders sah.
    *
    Im Morgengrauen brachen sie auf, begleitet von mancherlei Segenswünschen und ausgestattet mit frischen Vorräten, die sie bis nach Mogontiacum bringen würden. Der Dorfherr beabsichtigte offenbar, sich in ein gutes Licht zu rücken, und seine Frau war ein Juwel.
    Gegen Mittag folgten sie einer Straße durch schattige Wälder, dann öffnete sich vor ihnen eine wellige Ebene. Ein Hügel war gekrönt mit Graben, Wall und Palisade, Pferde weideten auf einer Koppel, Reiter patrouillierten auf dem Weg, bewachten einen Straßenposten. Schmerzhaft fühlte Cinna den Drang, dem Grauen die Fersen in die Flanken zu rammen, die Zügel schießen zu lassen, als Hraban ihnen befahl, sich langsam zu nähern. Er hatte Recht. Selbstverständlich hatte er Recht. Und dennoch spürte Cinna den Kitzel in den Beinen, grinste blöde und ergötzte sich an den vertrauten Rüstungen der berittenen Wächter, die sich ihnen in den Weg stellten, und an ihrem Staunen. Hraban haspelte eine Begrüßung herunter, und als ein Soldat antwortete, der seinem rosshaarverzierten Helm und den Abzeichen auf seiner Brust nach ein ranghoher Decurio sein musste, traf sein umbrischer Akzent Cinna wie eine Nadel. Er schob sich neben Hraban, wies die aus der Satteltasche gekramten Wachstafeln vor und nannte Namen und Rang wie ehedem.
    Der Offizier stutzte. Cinna streckte seinen Arm zu Sunja aus, die ein Band von ihrem Hals nahm, an dem sie den Siegelring trug, es in seine Hand legte; er schloss die Faust um das Band, so dass der Ring heraushing, und streckte ihn dem Soldaten entgegen, der sich nach einem raschen Blick auf das Kleinod vorstellte und verkündete, dass er sie zum Lager begleiten würde.
    Während Hraban die Befestigung des Lagers musterte, zeigte sich ein Grinsen auf seinen Zügen, und er wechselte viel sagende Blicke mit Cinna. Es war annähernd die gleiche Mauer wie die, die jetzt Inguiotars Burg in eine Festung verwandelte: ein spitzer Graben, dahinter eine senkrecht aufragende Wand, glatt mit Holz verkleidet, Zinnen, hinter denen die Verteidiger Schutz fanden, kleine Türme, die auf dem Wehrgang errichtet worden waren, von denen je zwei die Tore flankierten.
    Die wachhabende Besatzung verrenkte sich die Hälse nach dem kleinen Reitertrupp, der hereinritt, und die Soldaten im Lager hielten bei der Arbeit inne. Cinna bezog ihr Staunen weniger auf sich als auf die beiden Mädchen, die innerhalb der Mauern einen äußerst seltenen Anblick boten. Er schnappte einzelne Worte auf, Latinisch und ein breiter gallischer Dialekt. Die Männer gehörten zu einer Hilfstruppe, eine Kohorte von Raurakern, sicherlich gerne bereit, sich einem Vordringen der Barbaren in ihre weiter südlich gelegenen Wohngebiete entgegenzustemmen.
    Vor dem Stabsgebäude, einem weiß getünchten Fachwerkbau, erwartete sie der Praefect mit seinem Stab. Als sie absaßen, beeilte sich der Decurio, der sie in Empfang genommen hatte, Meldung zu machen, während Cinna Sunja abzusteigen half und ihr zuflüsterte, sie solle sich besser zwischen den Pferden aufhalten, um sich den neugierigen Blicken zu entziehen, bevor er gemeinsam mit Hraban zu den Offizieren schritt.
    Die Hand des Praefecten stieß Cinna entgegen, ehe er diesen vierschrötigen Mann begrüßen konnte. Er trug einen Brustpanzer, der ihn sicher teuer zu stehen gekommen war, Waffenrock und Beinschienen, und seine Brust war bedeckt mit Scheiben aus getriebenem Silber, die besondere Tapferkeit belohnten. Sogar Arme und Hals zierten gedrehte Reife. Sie hatten einen zum Praefecten beförderten Centurio vor sich, einen alten Kämpen mit dichten grauen Locken, dessen Händedruck einen Bullen zähmen konnte, wie Cinna schmerzlich feststellte.
    »Ich bin geehrt, Gaius Cornelius Cinna, der Erste zu sein, der anlässlich deiner Lösung aus den Händen der Barbaren den Göttern danken und dich begrüßen darf, ich Marcus Herennius, Sohn des Quintus, aus Asisium, Praefect der Cohors Prima der Rauraker.«
    Vorsichtig spreizte Cinna die Finger, die Herennius nur ungern freigegeben hatte. »Die Ehre ist ganz meinerseits. Ich freue mich, von einem so tapferen Mann

Weitere Kostenlose Bücher