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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden
Autoren: Sarah Bryant
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Prolog
    April 1903, Plantage Eden’s Meadow,
Iberville, Louisiana
     
     
     
    M itten in der Nacht erleuchtet eine einzige flackernde Kerze einen Raum. Es handelt sich um ein Schlafzimmer, was man unschwer an den sich im Schatten abzeichnenden Umrissen der Möbel erkennen kann. Der sanfte Schwung einer Zierleiste und der Glanz polierten dunklen Holzes deuten darauf hin, dass es von einer Angehörigen der privilegierten Klasse bewohnt wird, aber sogar im schwachen Licht erscheint die Ausstattung des Raumes seltsam unpersönlich, als sei er schon vor langer Zeit von seiner Bewohnerin verlassen worden.
    Diese selbst gibt etwas mehr von sich preis. Sie steht, angetan mit einem schlichten schwarzen Kleid, vor einer offenen Glastür. Ob sie in die wolkenverhangene Nacht hinausblickt oder sich in sich selbst zurückgezogen hat, lässt sich nicht ermessen. Sie ist klein, zierlich und erweckt den Eindruck fast vollendeter körperlicher Reife. Ihre gebeugten Schultern und die schlaff an den Seiten herabhängenden Arme zeugen von mangelndem Selbstvertrauen. Ihr Kopf mit der schwarzen Haarkrone biegt sich wie eine schwere Rose auf einem zu dünnen Stiel.
    Einige Minuten lang steht sie reglos da. Dann zuckt ein Blitz über den Himmel, und sie wendet sich von der Tür ab. Das Kerzenlicht fällt auf volle Lippen, eine glatte Haut, hohe Wangenknochen und schwarze, byzantinische Augen. Ihre Schönheit enthüllt sich dem Betrachter erst auf den
zweiten Blick, sie liegt in dem leichten Hauch von Traurigkeit, der sie umgibt, in den auf den bläulich schimmernden Schläfen tanzenden Haarlocken und dem Kampf zwischen Furcht und Stolz in ihren Zügen.
    Als sie sich bewegt, scheint der Raum zu schrumpfen und ihr Gesicht von innen heraus zu leuchten. Ein weiterer Blitz flammt auf, als der darauf folgende Donner verhallt, ist ein leises Klopfen an der Tür zu vernehmen. Das Mädchen hört es und eilt zur Tür, um sie zu öffnen. Ein zweites Mädchen in einem weißen Nachthemd, der das Haar offen über die Schultern fließt, huscht in das Zimmer. Zwischen den beiden bestehen kaum merkliche Unterschiede. Haltung und Miene des zweiten Mädchens strahlen mehr Selbstsicherheit aus, und in ihren Augen funkelt eine unterschwellige Raffinesse, die der Ersten fehlt. Dennoch ist die Ähnlichkeit zwischen ihnen unverkennbar.
    »Bist du bereit, Lizzie?«, fragt die Kühnere der beiden.
    »Evie…« Elizabeths Stimme zittert wie die Kerzenflamme.
    »Jetzt ist es zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen«, erwidert Eve. Lächelnd streckt sie eine Hand aus und zieht die Nadeln aus dem fest aufgesteckten Haar ihrer Schwester.
    »Aber was, wenn er es herausfindet?«, fragt Elizabeth, während Eve nach übersehenen Nadeln sucht.
    »Er wird es erst herausfinden, wenn ich es will.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein? Wir sind so verschieden … er merkt bestimmt etwas.«
    »Wir haben auch Maman und Papa getäuscht.«
    »Das sind Maman und Papa. Ihr beide werdet heiraten. Was ist mit eurer … eurer ehelichen Beziehung?«
    Eve lächelt verschmitzt. »Er kennt dich doch sicher nicht auf so intime Weise, oder? Wie soll ihm da etwas auffallen?«

    Elizabeth errötet, fährt aber fort: »Aber wenn er es doch merkt, bist du ganz allein auf dich gestellt. Was, wenn … wenn er…«
    »Lizzie.« Eve legt ihrer Schwester die Hände auf die Schultern. Ruhige Gewissheit steht in ihren Augen zu lesen. »Es wird alles gut gehen. Ich weiß, dass du ihn nicht magst, und du hast sicher deine Gründe dafür, aber er hat nie etwas getan, was dein Misstrauen verdient.«
    »Er ist launenhaft und unberechenbar.«
    »Das sagen viele auch von mir. Außerdem liebt er dich jetzt seit fünf Jahren, selbst du musst erkennen, wie bemerkenswert es ist, dass er in seinen Gefühlen für dich nie wankend geworden ist.«
    »Aber genau darin liegt eine Besessenheit, die mir Angst einjagt.«
    »Das ist der Grund dafür, dass ich ihn liebe.«
    Elizabeth schüttelt fast unmerklich den Kopf, ohne den Blick von ihrer Schwester zu wenden. »Du solltest auf einen Mann warten, der dich um deiner selbst willen liebt.«
    Eve wendet sich ab, kann aber die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht verbergen, als sie entgegnet: »Nicht jeder hat so viel Glück wie du, Lizzie.«
    Elizabeths Lippen beben. Eves Gesicht ist noch immer abgewandt; welche Gefühle sie bewegen, lässt sich nicht erkennen. Trotzdem scheint sie nicht überrascht zu sein, als Elizabeth nachgibt. »Wenn du ihm vertraust…«
    »O ja,
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