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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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Klassenarbeit
     
    An das Fenster schlug der Aprilregen. Klitsch - klatsch - tromtromtrom - klitsch klatsch - tromtromtrom.
    Hüit - hüi - it heulte der Sturm im Ofen, er rüttelte an den Fensterscheiben, daß sie laut zu klirren begannen.
    Nesthäkchen, das den Blondkopf noch tief in den Kissen vergraben hatte, warf sich bei dem wilden Konzert unruhig hin und her. Es rieb sich die Blauaugen und sah sich verschlafen in der Kinderstube um.
    Da lag sie - die neue Schulmappe! Mitten auf dem weißen Tisch; ernst mahnend blickte sie zu der kleinen Langschläferin herüber.
    Richtig, der erste Schultag war ja heute! Aber Klein-Annemarie war noch ganz schrecklich müde, sie mochte noch nicht an Aufstehen und Schule denken. Es war ja gestern ihr Geburtstag gewesen, da war sie später als gewöhnlich ins Bett gekommen, und heute war ein solch häßlicher, grauer Regenmorgen.
    Warm und fest kuschelte sich die Kleine wieder in ihre Kissen ein, während draußen Regen und Wind weiter pladderten und heulten. Klitsch - klatsch - tromtromtrom - hüi - it - ach, wie schön war es im molligen Bettchen!
    Da trat Fräulein Lena an Nesthäkchens Lager.
    »Annemie - Liebling - es ist Zeit, du mußt aufstehen.« Zärtlich streichelte ihre Hand die wirren Blondlöckchen der Kleinen.
    Es war Frühstückspause. Ein ohrenbetäubendes Geschwirr schallte durch die Klasse.
    »Annemarie, wieviel ist neunmal siebzehn« - »ist siebenmal vierzehn achtundzwanzig oder achtundneunzig« - »ach Gott, ich habe ja so dolle Angst vor der Klassenarbeit« - die zarte Margot Thielen seufzte schwer und machte furchtsame Augen.
    »Ich habe gar keine Bange, ich nicht! Mein Bruder Hans hat gesagt, ich kann jetzt das große Einmaleins vorwärts und rückwärts, sogar im Schlaf!« Annemarie Braun, die Erste der Klasse, rief es und lachte dabei über das ganze runde Kindergesicht.
    »Ja, du - du brauchst auch keine Angst zu haben, Annemie. Du schreibst sicher wieder null Fehler und bekommst ‚sehr gut‘ im Rechnen.« Margot sah voll Bewunderung auf ihre Freundin.
    »Wenn's nur nicht gerade die Probearbeit für die Osterzensur wäre.« Ilse Hermann hob den Kopf mit den blonden Haarschnecken von dem Rechenbuch, aus dem sie ganz schnell noch sämtliche Zahlenweisheiten in den letzten Minuten vor der gefürchteten Arbeit zu erhaschen suchte.
    »Annemarie, könntest du nicht jetzt in der Pause flink noch ein bißchen mit uns üben - ach ja, bitte, bitte, tue es doch!« so bettelte und rief es durcheinander.
    Die Erste ließ sich nicht lange bitten. Das Rechenbuch unter den Arm geklemmt, den Kopf mit der lustigen Stupsnase und den abstehenden goldblonden Rattenschwänzchen steif in die Luft gebohrt, so schritt sie würdevoll zum Pult.
    Die Klasse jubelte. Denn Annemarie ahmte Fräulein Neudorf, die Rechenlehrerin, in Gang und Haltung treffend nach. Und als sie jetzt gar noch in der Hannoveraner Mundart der Lehrerin zu sprechen anhob: »Aber Kinder, macht nicht solchen S-pektakel, ihr s-tört die anderen Klassen«, da stieg die Ausgelassenheit und der Jubel aufs höchste.
    »Ruhe - seid s-till, Kinder, wieviel ist neunmal dreizehn, Marlene Ulrich«, mit durchdringend heller Stimme übertönte Annemarie den Radau.
    »Hundertsiebzehn«, die dunkelblauen Augen der schwarzköpfigen Marlene, die noch eben vor Übermut gesprüht hatten, sahen plötzlich ganz ernst drein.
    »Fünfmal neunzehn, Hilde Rabe -falsch, Marianne Davis - siebenmal sechzehn - achtmal vierzehn« - Schlag auf Schlag kamen die Fragen aus dem Munde der kleinen Lehrerin. In lachender Aufregung tönten die Antworten zurück, eine überschrie die andere.
    Da war es kein Wunder, daß niemand in diesem Tumult auf die Glocke achtete, welche die beginnende Stunde anzeigte. Annemarie Braun, die als Erste das Amt hatte, nach dem Läuten für Ruhe in der Klasse zu sorgen, machte den größten Lärm.
    »Ruhe - was soll denn der S-pektakel eigentlich bedeuten - S-tille bitte ich mir sofort aus!« mittenhinein in das Lachen und Rufen erklang es plötzlich streng von der Tür her.
    Im Augenblick verwandelte sich das Jubeln und Schreien in atemlose herzbeklemmende Stille. Die Mädchen schnellten von ihren Sitzen in die Höhe, mit entsetzten Augen blickten sie auf die im Türrahmen stehende Lehrerin.
    Die Erschrockenste von allen aber war Annemarie Braun - Himmel, hatte die Lehrerin etwa gehört, daß sie sie nachgeahmt hatte? Wie angewurzelt blieb Annemarie droben auf dem Pult, sie dachte nicht daran, ihren Platz
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