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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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aufzusuchen.
    Kopfschüttelnd trat die Lehrerin näher.
    »Ja, möchtet ihr mir vielleicht erklären, was euer lautes Benehmen bedeuten soll? Wo ist die Erste?
    Annemarie trat, das Stupsnäschen nicht mehr lustig emporgehoben, sondern schuldbewußt zur Erde gesenkt, näher.
    »Du sorgst ja recht nett für S-tille vor der S-tunde. Ans-tatt den andern mit gutem Beis-piel voranzugehen, s-tichst du noch alle anderen beim S-pektakelmachen aus. Du wirst schwerlich als Erste zur Osterversetzung bes-stehen können!«
    Keinem der Kinder fiel es ein, die Sprache der Lehrerin, die man noch eben bei Annemarie bejubelt, jetzt lächerlich zu finden. Am wenigsten Annemarie selbst, die sich beschämt zu ihrem Platz zurückschob.
    »Lieber Gott, mach doch bloß, daß Fräulein Neudorf nicht gehört hat, was ich gesagt habe«, dachte sie.
    Da erklang das gefürchtete »Rechenhefte heraus zur Klassenarbeit!« vom Pult.
    Poch - poch - schneller schlugen fünfzig Kinderherzen. Mit gezückter Feder saß eine jede vor ihrem Heft.
    Und nun ging's los -Aufgabe um Aufgabe. Die Wangen der Mädel begannen vor Eifer zu glühen, die Augen zu blitzen. Jede gab sich Mühe, ihr Bestes für das Osterzeugnis zu leisten.
    Nur eine, sonst die eifrigste und begabteste im Rechnen, war heute nicht recht bei der Sache. Das war die Erste der Klasse. Annemarie vermochte ihre Gedanken nicht fest auf die Aufgaben zu richten. Immer wieder entwischten sie ihr zu den Begebenheiten vor der Stunde.
    Gerade bei Fräulein Neudorf, der strengsten Lehrerin der Schule! Sah Fräulein Neudorf sie strafend an, oder kam ihr das bloß so vor? Wenn man nur genau wüßte, woran man wäre! Dann könnte man sich doch wenigstens nach der Stunde entschuldigen -aber diese gräßliche Ungewißheit -Herrgott, da hatte Annemarie vor lauterÜberlegen und Grübeln gar nicht gehört, wie die letzte Aufgabe hieß. War es fünfmal dreizehn oder fünfmal siebzehn gewesen? Annemarie hatte nur noch den Klang im Ohr, ihr Bewußtsein hatte die Zahl nicht aufgefaßt. Hilflos blickte sie um sich.
    Du - Margot, siebzehn oder dreizehn?« hinter dem vorgehaltenen Löschblatt ward es aufgeregt geflüstert.
    Aber ehe die Freundin noch antworten konnte, stand schon Fräulein Neudorf neben der kleinen Unaufmerksamen.
    »Annemarie Braun, schließe dein Heft. Wer bei der Probearbeit mit der Nachbarin in Verbindung s-teht, hat die Absicht zu täuschen. Ans-tatt dir Mühe zu geben, deinen Fehler von vorhin durch Eifer und Fleiß gutzumachen, muß ich dir jetzt noch einen Tadel schreiben. Die Erste der Klasse - ein beis-pielloser S-kandal!«
    Jetzt irrte sich Annemarie nicht, die Lehrerin sah sie so strafend an wie noch nie.
    »Fräulein Neudorf, ich wollte Sie wirklich nicht täuschen - ich - hatte bloß die Aufgabe vergessen - wirklich!« Die blauen Kinderaugen blickten voller Ehrlichkeit zu der Zürnenden auf.
    Es war etwas Merkwürdiges um Annemaries Augen. Wenn sie bettelten und flehten, dann konnte man ihr nicht mehr so richtig böse sein. Diese Kinderaugen vermochten nicht zu lügen, das fühlte jetzt auch Fräulein Neudorf. Ihre strenge Miene wurde um ein weniges freundlicher.
    »So magst du dich weiter an der Arbeit beteiligen. Die Aufgabe, die du durch Unaufmerksamkeit verfehlt hast, läßt du natürlich aus.«
    »Und der Tadel?« Annemaries Lippen war das entschlüpft, was ihre Hauptsorge bildete. Solange sie in die Schule ging, hatte sie noch nie einen Tadel bekommen.
    Der erste Tadel - nein, die Schmach war zu groß! Wie würde Bruder Klaus sie damit aufziehen und foppen, und Mutti würde traurige Augen machen - ganz bestimmt.
    »Der hängt natürlich von deinem künftigen Benehmen ab« - Fräulein Neudorf fuhr weiter in der Klassenarbeit fort.
    Annemarie hätte sich jetzt sicherlich die allergrößte Mühe gegeben, wenn nur nicht die eine Aufgabe in ihrer Arbeit gefehlt hätte. Nun konnte sie doch auf keinen Fall mehr »sehr gut« im Rechnen bekommen. Und dann der noch immer drohende Tadel.
    Aber solche Gedanken gehören nun mal nicht zu einer Probearbeit. So kam es, daß Annemarie Braun, die das große Einmaleins vor- und rückwärts, ja selbst im Schlafe, nach dem Urteil von Bruder Hans konnte, diesmal drei Fehler in der Klassenarbeit hatte.
    Und das Schlimmste war, daß ihre Freundinnen Margot, Ilse, Marianne und Marlene alle null Fehler geschrieben hatten.
    Fräulein Neudorf, welche die Arbeiten gleich in der Stunde durchsah, blickte die Erste mißbilligend an, als sie ihr das Heft
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