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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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blauweißgestreiftes Kleid und solch ein weißes Häubchen getragen hatte? Die Kleine konnte sich nicht darauf besinnen, denn der Kopf schmerzte sie noch immer.
    Hatte sie irgendeine böse Fee verzaubert, wie das in ihren Märchenbüchern öfters vorkam?
    Inzwischen führte Schwester Elfriede dem kleinen Mädchen die Tasse Milch zum Munde. »Trink, Herzchen.«
    Aber Annemarie stieß die Hand mit der Milch fort. »Nein - nein, Mutti soll kommen oder Fräulein!« Sie begann aufs neue zu weinen.
    »Ei, Annemarie, wenn du schön brav bist und deine Milch trinkst, dann kommt bald der Papa, in einer halben Stunde ist er hier«, tröstete die sanfte Schwester.
    Der freundliche Zuspruch verfehlte seine Wirkung nicht. Annemarie wurde ruhiger und trank ihre Milch.
    Dann lag sie wieder ganz still in dem Gefühl lähmender Mattigkeit, die nach tagelangem hohem Fieber einzutreten pflegt. Durch die langen Wimpern blinzelnd, sah sie zu, wie die Fremde in dem blaugestreiften Kleid die gebrauchten Gegenstände säuberte.
    Ach - es wurde plötzlich heller in Annemaries dämmernden Gedanken - das war sicher das neue Hausmädchen, das zu Ostern kommen sollte.
    »Waren Sie früher auch bei Kindern?« Annemaries Interesse an der Neuen war geweckt.
    »Ja, ab und zu, wie es sich gerade machte.«
    »Woher sind Sie denn?«
    »Aus Berlin.«
    Annemarie wunderte sich sehr. Die Mädchen, die sie sonst gehabt hatten, waren alle vom Lande gewesen.
    »Werden Sie sich auch mit Hanne vertragen? Unsere Frieda hat sich oft mit ihr verkracht. Aber die meint es nicht böse, die Hanne, wenn sie auch manchmal schimpft.«
    Schwester Elfriede sah das Kind aufmerksam an. Fieberte es etwa schon wieder?
    Unter ihrem prüfenden Blick kam Annemarie wieder das Gefühl des Fremdseins, das sie während der Unterhaltung fast vergessen hatte.
    »Hanne soll kommen, wenn Mutti und Fräulein Lena fortgegangen sind - ach bitte, bitte, rufen Sie wenigstens Hanne herein.«
    »Hanne ist auch nicht hier, mein Herzchen - schlaf noch ein bißchen, und wenn du aufwachst, ist der Papa da«, redete ihr die Schwester zu. Aber davon wollte die kleine Patientin nichts hören.
    Wieder begann ein lautes Rufen nach Mutti, Fräulein Lena und Hanne - Schwester Elfriede stand ratlos. All ihre freundlichen Worte wollten nichts nützen.
    Zum Glück war es gerade die Zeit für Doktor Brauns Nachmittagsbesuch in der Klinik. Sein erster Weg galt natürlich seinem Kinde.
    Auf dem Flur schon vernahm der Arzt das Weinen und Rufen seines kranken Nesthäkchens. War es endlich bei Besinnung? War eine Besserung eingetreten?
    Mit hastigem Schritt öffnete er die Tür.
    »Vatchen -« das weinende Gesichtchen verklärte sich förmlich - «Vatchen, liebes Vatchen!« Annemarie klammerte sich fest an Vaters Hand.
    Aber auch Doktor Brauns Gesicht sah verklärt drein. Ein Blick ließ den erfahrenen Arzt sofort die Wendung zum Guten erkennen.
    »Lotte, kleine Lotte, warum weinst du denn?« Zärtlich wischte er seinem Liebling die Tränen von den bleich gewordenen Wangen.
    Weil - weil Mutti und Fräulein Lena fortgegangen sind. Und dann - meine Kinderstube sieht ja so komisch aus - ganz anders!«
    Doktor Braun und Schwester Elfriede sahen sich lächelnd an. Dann begann der Arzt die Untersuchung.
    »Bin ich denn krank?« verwunderte sich Annemarie.
    »Ja, mein Liebling, du warst sehr krank und hast uns große Sorgen gemacht. Aber nun wird meine Lotte mit Gottes Hilfe bald gesund werden, wenn sie brav folgt und nicht weint und nach Mutti ruft. Schwester Elfriede sorgt ja so lieb für dich - - -«
    »Schwester Elfriede -ist denn das nicht unser neues Hausmädchen?« Annemarie fragte es flüsternd.
    Da aber konnte der Vater ein Lachen nicht zurückhalten. Es war ja das erste Mal seit Tagen, daß es ihm wieder leichter ums Herz war, daß er überhaupt zu lachen vermochte. Auch Schwester Elfriede stimmte mit ein.
    »Nein Lotte« - der Vater hielt es für das Richtige, der Kleinen die Wahrheit zu sagen. »Das ist Schwester Elfriede, die sehr lieb mit dir ist und dich gesund pflegen wird. Ich habe dich in meine Klinik nehmen müssen, damit die Jungen nicht auch noch Scharlach bekommen, und all meine Patienten dazu.«
    »In deiner Klinik bin ich?« Mit glückseligen Augen blickte sich Annemarie in dem fremden Raum um. Ach, das war ja schon von jeher ihr sehnlichster Wunsch gewesen, mal in Vaters Klinik krank zu sein -und nun hatte sie sogar Scharlach, nicht nur Masern oder Windpocken, die jedes Kind bekam. Das kleine
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