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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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Mädel war sehr stolz darauf.
    »Das ist fein, Vatchen, daß ich in deiner Klinik sein darf, das habe ich mir schon immer mal gewünscht. Kommt Mutti bald und besucht mich?«
    Der Vater zögerte einen Augenblick.
    »Vorläufig nicht, mein Herzchen, Mutti darf wegen der Ansteckung nicht zu dir. Aber sie wird dir einen langen Brief schreiben.«
    »Das ist ja noch viel feiner!« - Annemarie hatte noch nie einen Brief von Mutti bekommen. »Und Fräulein Lena und Hänschen und Kläuschen sollen mir auch schreiben, und - und Hanne auch.« Immer leiser war die Stimme der kleinen Kranken geworden. Sie wollte gern noch Mutti grüßen lassen, doch sie kam nicht mehr dazu. Ihre Augenlider waren wieder zugeklappt, denn die Schwäche war noch recht groß.
    Aber das war jetzt kein unruhiger Fieberschlummer mehr, das war Genesungsschlaf. Ein Weilchen verweilte Doktor Braun noch am Bett seines Nesthäkchens, dann ging er glücklichen Herzens, seiner Frau die frohe Botschaft von der eingetretenen Besserung zu melden.

Der zehnte Geburtstag
     
    Ja, nun ging es vorwärts. Langsam zwar, so langsam, daß die ungeduldige Annemarie glaubte, sie würde überhaupt nicht mehr aus ihrem »Käfig« herausgelassen.
    Die Freude, in Vaters Klinik zu sein, legte sich bald. Denn mit den allmählich wiederkehrenden Kräften kam die alte Lebhaftigkeit zurück und damit die Qual des Stilliegenmüssens für den Wildfang.
    So lieb Schwester Elfriede auch zu ihr war, die Sehnsucht nach der Mutter machte sich doch bald bemerkbar. Zwar schrieb Mutti täglich ein Briefchen voll Sehnsucht und Liebe an ihre kranke Lotte. Aber diese war allmählich dahintergekommen, daß tausend Briefe eine Liebkosung nicht zu ersetzen vermochten. Und daß Mutti sie überhaupt nicht besuchen durfte, war eine arge Enttäuschung. Schwester Elfriede hatte es nicht immer leicht mit ihrer kleinen Patientin. Dabei hatte Annemarie die sanfte, stets freundliche Schwester, die so geräuschlos im Zimmer waltete, von Herzen liebgewonnen.
    Mutti durfte sie nicht besuchen, aber ein anderer weniger erwünschter Gast stellte sich ein - die Langeweile. Mit den Kleinkinderspielen, die sich in der Klinik vorfanden, wußte Annemarie nichts anzufangen. Lesen sollte sie noch nicht, und immer konnte Schwester Elfriede doch auch nicht Geschichten erzählen. Der Mund tat ihr ja schon weh davon.
    Draußen schlug der Aprilregen klatschend gegen die Fensterscheiben. Aber in Annemaries Krankenstübchen war es gemütlich. Bei der grünverhangenen Lampe saß Schwester Elfriede mit ihrer Strickarbeit. Annemarie ruhte in ihren weißen Kissen und - langweilte sich.
    »Ha - uh - ah - uh -«, sie gähnte aus Leibeskräften.
    »Bist du schon müde, Herzchen, es ist noch nicht mal sechs Uhr. Vater war ja noch gar nicht zum Abendbesuch in der Klinik«, meinte Schwester Elfriede verwundert.
    »Nee, müde bin ich gar nicht, aber ich mopse mich so doll. Was soll ich denn bloß anfangen?«
    »Wollen wir uns Rätsel aufgeben?« schlug die Schwester vor.
    »Ach nee - ach nee, die Rätsel kenne ich ja schon alle.«
    »So wollen wir Städtenamen oder Sprichwörter raten«, die gute Schwester verlor die Geduld nicht.
    Aber auch dazu hatte das junge Fräulein keine Lust. Eigentlich hatte sie zu nichts Lust, sie wollte bloß ein bißchen quälen.
    »Was haben wir denn heute für einen Tag?« begann es, nachdem es noch verschiedene Male gegähnt hatte, von neuem.
    »Dienstag, Annemarie.«
    »Ich meine, was für ein Datum.«
    »Heute ist der fünfte April, Kind.«
    »Was -schon der fünfte« - das sich langweilende kleine Mädchen wurde plötzlich ganz lebhaft. »Dann ist es ja die höchste Zeit, daß ich die Einladung für meine Kindergesellschaft schreibe.«
    »Aber Annemarie«, Schwester Elfriede lachte, »willst du etwa hier in der Klinik eine Kindergesellschaft geben?«
    »Nee, hier natürlich nicht. Aber es sind ja noch vier ganze Tage bis zu meinem Geburtstag. Bis dahin bin ich bestimmt wieder gesund und zu Hause bei Mutti.«
    »Nein, mein Herzchen, die Hoffnung muß ich dir leider nehmen. So schnell geht das doch nicht mit dem Gesundwerden. Einige Wochen mußt du schon hier bei uns bleiben.«
    »Wa-as?« Annemarie vergaß vor Schreck den Mund zuzumachen. Als Vater kam, fand er seine Lotte wieder in Tränen. Nicht einmal die Osterzensur, die er ihr mitbrachte, durch welche sie zur Schülerin der nächsten Klasse aufrückte, vermochte sie zu trösten. Ja, selbst das »Lobenswert«, um das sie so gebangt hatte, machte ihr
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