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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
Autoren: Shana Abé
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    Die Zeit verging. Manchmal löste sich ein Gesteinsbrocken aus einem der Türme und stürzte donnernd den Abhang hinab.
Die Dörfler dort unten hielten inne und hoben den Blick. Einige pflegten gar zu scherzen: Die Götter erwachen.
    Schließlich kam der Tag, an dem die Anderen den Pfad hinauf in den Himmel fertigstellten. Doch die alte Burg hielt eine weitere Überraschung für jene ersten Wenigen bereit, die einen Fuß hineinsetzten.
    Ungeachtet aller beklommenen Scherze hatte jeder die Burg verlassen geglaubt.
    Aber das war sie nicht.
     
    Das Gebirge der Karpaten durchzieht den südöstlichen Teil von Europa und die gedachten Verbindungen zwischen den Menschen wie ein Halbmond. Es erhebt sich inmitten von Provinzen und Herzogtümern, selbst Königreichen, ohne Rücksicht auf menschliche Grenzen. Mit Stürmen und schwindelnden Höhen entfernte es jede Schwäche der Zivilisation, spielte den Schwachen, Unvorbereiteten übel mit, und nur die Stärksten überdauerten. Winter und Schnee und Bergblumen, Wiesen und dichte Wälder. Auf den entlegensten dieser Gipfel begann eine neue, vornehme Familie zu erblühen.
    Ihre Mitglieder waren stolz, und es gab nur sehr wenige von ihnen. Hager waren sie und schön.
    Dies war das Vermächtnis, das die Drákon in ihrer Burg zurückgelassen hatten: nur einen Sohn und eine Tochter. Und aus ihnen entstammten Generationen neuen Lebens, die in den Nebeln heranwuchsen und den Anderen unten beständig nachstellten, bis sie die Geheimnisse ihrer Feinde lüfteten. Bis sie tatsächlich lernten, wie sie zu werden … Wie sie auszusehen. Zu atmen und zu essen wie sie. Schwerfällig über die Erde zu stapfen, wie es die Anderen ihnen vormachten, während sie die ganze Zeit ihre wahren Gesichter verbargen und auch ihr wahres Herz.

    Und so war es dies, was die ersten Eindringlinge sahen, als sie die Burg betraten, ehe sie sich auf die Knie sinken ließen: eine Handvoll Menschen, bleich und zugleich betörend, mit Lippen, die einen Willkommensgruß lächelten, doch Augen, die loderten.
     
    Jahrhunderte vergingen. Die Familie wuchs. Sie erlangte den Respekt von Verbündeten und Feinden gleichermaßen, und an den Ausläufern des Gebirges brachte sie Kleinstädte und Leibeigene an sich, die ihnen zu Diensten waren. Dazu Klöster, Schmieden, Schmelzhütten. Handel, Minen und größere Städte, von Mauern umgeben. Als sich die instabilen Grenzgebiete der Länder mit Leuten füllten, brachte die Familie Krieger hervor und dann den Adel.
    Sie lebten in einer Burg auf der Spitze des Berges, die in der Sonne wie aus Zucker oder Salz gemacht glänzte und im Schneegestöber mit dem Eis verschmolz.
    Sie hüteten ihr dunkles Geheimnis nur allzu gut.
    Im Laufe der Zeit gelangten sie zu Wohlstand. Die Quelle ihres Reichtums war nicht nur der natürliche Überfluss ihrer geliebten Berge, sondern die unverbrüchliche Treue ihres Volkes. Die Familie lebte bereits seit Menschengedenken in den Tränen aus Eis . Ihre Mitglieder allein wachten über den Pfad, der sich den Berg hinaufwand. Sie allein beaufsichtigten die Minenschächte und die Schmelzöfen und die Bischöfe und Händler und die schneeverwehten Pässe, die in die vielen Städte hinein- und wieder aus ihnen herausführten.
    Und sie allein hörten die Diamanten im Boden und konnten das wartende Gold schmecken, das in der schwarzen, fruchtbaren Erde vergraben lag. Die Wesen, die einst von den Anderen , den Menschen, gejagt worden waren, wurden nun von ihnen beschützt. Sie wurden geschätzt, bewundert, gefürchtet.

    Man kannte die Familie als die Zaharen, benannt nach ihrer eiskristallenen Burg, und Geschichten rankten sich um sie. Man erzählte sich, sie seien gesegnet, aber auch verflucht. Der Finger Gottes habe sie berührt - oder der des Teufels. Gelegentlich tauchten sogar Bruchstücke der alten Legenden auf, und es wurde geflüstert, dass die Zaharen nicht das waren, was sie schienen. Dass sich spät in der Nacht am Himmel, vor dem undurchdringlichen Schwarz der Burg, schlangenförmige Monster abzeichneten, die dem Mond nachjagten.
    Nur die Törichten sprachen Derartiges jemals laut aus; niemand wollte leichten Herzens den Zorn der Familie auf sich ziehen.
    Die Wahrheit aber war, trotz all der Gerüchte, die sich um die Zaharen rankten, dass sie nur einem einzigen Flüstern folgten: dem der Steine.
    Und wieder sammelten sich Diamanten auf der Burg. Jeder Hohlraum, jeder Spalt zwischen den alten Steinen, wo sich andere aus der Mauer gelöst
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