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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
Autoren: Shana Abé
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Spiegelbild mit kritischem Auge: Ihr Haar war verfilzt, das weiße Halstuch um ihren Kragen zerrissen. Ihre Ellbogen waren schmutzig, und drei Blutstropfen hatten ihr Mieder besudelt. Ihre Unterlippe pochte blutrot und aufgesprungen.
    »Clarissa, ich glaube, das Wasser ist fertig.«
    »Ja, Mama.«
    Es blieb keine Zeit mehr, die Kleidung zu wechseln. Sie bürstete sich, so gut es ging, ab, bändigte ihre Haare und schlang sie zu einem nachlässigen Knoten zusammen. Dann goss sie das heiße Wasser in die Teekanne und stellte sie zu Tassen, Honig, Sahne, Brot und dem Rest Butter auf das Tablett.

    Ein letzter Blick in die Zinnscheibe. Besser, aber nicht bestmöglich. Sie riss die Augen auf, sodass sie nach vollkommener Unschuld aussahen, und probierte ein Lächeln, woraufhin der Schmerz in ihrer Lippe sie zusammenzucken ließ. Dann nahm sie das Tablett und brachte es in das Zimmer ihrer Mutter.
    Antonia Hawthorne saß aufgerichtet in ihrem Bett, ihre aschfarbenen Haare waren zu Zöpfen geflochten und ihre Hände im Schoss gefaltet. Es war einer ihrer besseren Tage. Clarissa konnte ihren Atem kaum hören. Ihr Gesicht war verzerrt, aber ihre Augen leuchteten wie immer, als sie den Blick über ihre Tochter gleiten ließ. Um ihren Mund spielte ein schmerzlicher Zug.
    »Oh, meine Liebe.«
    Mit größter Sorgfalt setzte Clarissa das Tablett auf dem Nachttisch ab und war mit einem Mal außerstande, von dem Butterstückchen aufzusehen.
    »Erzähl es mir«, ermutigte ihre Mutter sie mit ihrer weichen, freundlichen Stimme. Sie wartete, während Clarissa ungeschickt mit den Löffeln hantierte und das Gesicht unbeirrt gesenkt hielt. Dann sagte sie nachdrücklicher: »Clarissa Rue.«
    »Ein Unfall. Ich bin über eine Baumwurzel gestolpert.«
    »Tatsächlich?«
    Clarissa schenkte der Teekanne ihren erprobten Unschuldsblick, während sie einzuschenken begann. »Ja. Ich habe mich dumm angestellt. Ich stolperte und rollte einen Hügel hinunter. Du weißt schon, genau hinter Blackstone Fell. Es ist sehr steil dort.«
    »Ja. Das weiß ich.«
    Clarissa reichte ihr die Tasse und begegnete ihrem Blick. »Und da ist es passiert.«

    Antonia nahm einen Schluck Tee. »War Miss Melanie auch dabei?«
    »Nein.« Mit peinlicher Sorgfalt machte sich Clarissa daran, das Brot mit Butter zu bestreichen.
    »Du musst dich von ihnen fernhalten. Das habe ich dir doch schon gesagt. Sie werden nie freundlich zu dir sein.«
    Das Brot in ihrer Hand begann zu zittern und feucht zu werden; sie presste die Augen zusammen und spürte, wie eine Träne an ihrer Nase hinabrann.
    »Es ist nicht dein Fehler«, sagte Antonia.
    »Es ist meiner«, fügte ihre Mutter hinzu, noch immer leise.
    Clarissa ließ das Brot auf das Tablett fallen und wischte sich mit fettigen Fingern über die Augen.
    »Komm her, meine Süße«, sagte Antonia, und Clarissa schniefte, krabbelte über die Bettdecke, ungeachtet ihrer Schuhe und der verschmutzten Kleidung, und schmiegte sich in die Umarmung ihrer Mutter.
    Sie roch nach Medizin und Flieder. Ihr Herzschlag flatterte wie ein Trommelwirbel an Clarissas Ohr. Sie spürte, wie sich die Hand ihrer Mutter hob und den ungekämmten Knoten, in den sie ihr Haar geschlungen hatte, löste. Clarissa wandte den Kopf ab und sprach ins Kopfkissen. Ihre Stimme war nicht mehr als ein klägliches Flüstern.
    »Werden sie mich denn nie mögen, Mama?«
    »Nein, meine Liebe. Das werden sie nicht.«
    »Aber ich gebe mir solche Mühe, wie sie zu sein …«
    »Du bist schöner und wunderbarer als all diese wilden Mädchen zusammen. Du bist das wertvollste Geschenk meines Lebens. Ich bin so stolz auf dich, und dein Vater wäre es auch gewesen. Aber …« Antonias Finger hielten inne; sie schien um Worte zu ringen. »Wenn der Stamm dich ansieht … sehen sie nur ihn. Und er war keiner von uns.«

    »Von dir, meinst du«, murmelte Clarissa.
    »Von uns. Die Hälfte deines Blutes ist mein Blut, das Blut des Stammes. Das ist dein Erbe. Niemand kann dir das absprechen.«
    Die Spitzen an der Kleidung ihrer Mutter, die sich unter ihren Wangen kräuselten, waren dünn und fadenscheinig. Clarissa wischte eine weitere Träne fort.
    »Bleib allein, wenn es sein muss, und halte dich abseits«, murmelte Antonia und streichelte ihrer Tochter über das dunkle Haar. »Eines Tages wirst du zu einer wunderschönen jungen Frau herangereift sein, und du wirst einen Mann finden, der dich so liebt, wie du bist, ebenso wie ich. Aber sei gewiss, mein Liebling, ganz gleich, was die
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