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Liebe mit beschrankter Haftung

Liebe mit beschrankter Haftung

Titel: Liebe mit beschrankter Haftung
Autoren: Voosen Jana
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Kapitel 1
    Heute beginnt der Rest meines Lebens. Und der wird großartig werden. Einfach toll. Das habe ich mir fest vorgenommen. Manchmal muss man eben einen Schnitt machen. Neu anfangen. Die Vergangenheit hinter sich lassen und nach vorne sehen. Das ist der Plan. Denn da vorne, in meiner Zukunft, da sieht es gut aus für mich. Wundervolle Dinge warten. Es gibt keinen Grund mehr, über die Schulter zu blicken, denn was hinter mir liegt, ist nicht wirklich schön. Die Trennung von meinem langjährigen Freund Timo. Der überstürzte Auszug, das Zerplatzen von Träumen, monatelanger Liebeskummer. All das ist ja nun zum Glück vorbei. Und als symbolischen Akt des Neuanfangs habe ich heute Abend meine blaue Ikeatasche geschultert und bin hierhergekommen. In die »Schleuderei«, den Waschsalon im Hamburger Szeneviertel St. Pauli, der praktischerweise rund um die Uhr geöffnet hat. Gemeinsam mit Strümpfen, Unterhosen und Pullovern wasche ich auch mein Leben rein. All der Liebeskummer, die Selbstzweifel, weil schon wieder eine Beziehung gescheitert ist, werden auf Nimmerwiedersehen gemeinsam mit der schmutzigen Seifenlauge im Abfluss verschwinden.
    Ich richte meinen Blick auf die runde Glasscheibe, hinter der meine Wäsche vor sich hinschleudert, und warte darauf, dass ein erhebendes Gefühl von mir Besitz ergreift. Leider lässt es auf sich warten. Vielleicht war das mit dem Waschen doch keine so gute Idee? Ich reibe meine klammen Finger aneinander und kuschele mich fester in meinen langen, braunen Wintermantel. Ziemlich kalt ist es hier drin und die knallpinke Plastikbank, auf der ich seit einer Stunde hocke, hat sicher mittlerweile ihr Muster für immer auf meinem Hintern verewigt.
    Silvester alleine im Waschsalon, vielleicht war die Idee doch nicht ganz so brillant, denke ich, während ich mich steifbeinig erhebe und an die Fensterfront trete. Auch diesen Ausblick hatte ich mir anders vorgestellt. Ich dachte, ich könnte in die sternklare Nacht hinausschauen und das imposante Feuerwerk bewundern. Aber schon gegen halb elf wurde mir klar, dass daraus nichts werden würde. Über Hamburg hängt eine dichte Wolkendecke, die dazu führt, dass der Rauch von den Silvesterböllern, die schon seit Stunden in immer kürzeren Abständen in die Luft geschossen werden, nicht abziehen kann. Draußen herrscht dichter Nebel. So dicht, dass ich nicht einmal mehr die Straße erkennen kann. Irgendwie hat das was von Endzeitstimmung. Da draußen könnte jetzt die Welt untergehen, ich würde es nicht mitkriegen. Aber ich denke jetzt einfach mal positiv und gehe davon aus, dass Hamburg noch da sein wird, wenn sich der Nebel gelichtet hat. Um mich ein wenig aufzuwärmen, drehe ich eine Runde durch den Waschsalon mit seinen in der Mitte des Raumes aufgestellten Waschmaschinen. Am anderen Ende verlangsame ich meine Schritte und schiele vorsichtig auf die Bank, auf der es sich die einzige Gesellschaft, die ich an diesem langen Abend habe, gemütlich gemacht hat. Wobei natürlich sowohl Gesellschaft als auch Gemütlichkeit relative Begriffe sind. Irgendwie sind die bunten Plastikplanken der Bänke hier drin genauso gemütlich wie mein Silvesterabend gelungen. Verstohlen betrachte ich das von einem struppigen Vollbart überwucherte Gesicht, die knubbelige Nase mit den feinen blauen Äderchen darauf, die geschlossenen Lider und die tief in die Stirn gezogene grau-blau gestreifte Pudelmütze. Der Mann hat sich ganz fest in eine verfilzte, ausgefranste braune Wolldecke eingewickelt, neben ihm stehen mehrere vollgestopfte Plastiktüten. Seit ich hier angekommen bin, hat er sich nicht gerührt, und wenn er nicht ab und zu ein lautstarkes Schnarchen von sich geben würde, hätte ich wahrscheinlich schon längst einen Krankenwagen gerufen. Da ist es wieder, ein schleimig rasselndes Grunzen, das mich zurück in meine Ecke des Waschsalons treibt. Siehst du, Mia, anderen Leuten geht es viel schlechter als dir, murmele ich mir dabei zu. Auch wenn in letzter Zeit nicht alles rundlief, habe ich doch so viel, was andere nicht haben. Eine hübsche kleine Zweizimmer-Dachgeschosswohnung zum Beispiel, in der ein gemütliches Bett steht, dessen Decke und Kopfkissen ich, sobald ich nach Hause komme, mit meiner schönen cremefarbenen Satin-Bettwäsche beziehen kann. Apropos, die ist jetzt gerade fertig geschleudert. Ich rollere einen der türkisfarbenen Plastikkörbe heran, leere die Maschine aus und werfe alles in den Trockner. In diesem Moment verkündet mein Handy
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