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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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die Kette, als eine junge Frau in Uniform Lupe sowie Notizbuch und Bleistift hereinbrachte. Sweeney hielt das Glas über den breiten, dreiteiligen Verschluss.
    »Hier haben wir was. Eine kleine Inschrift. ›Geliebter Ehemann. 3. Januar 1809 - 2. April 1863‹. Dieses Exemplar hat einer Frau gehört, deren Mann am 2. April 1863 gestorben ist. Sie hat sein Haar aufbewahrt und es geflochten oder flechten lassen. Vermutlich hat sie das Muster ausgesucht und es selbst gemacht. Das Haar der meisten Männer war nicht so lang, dass man eine Kette daraus fertigen konnte. Sie hat sie getragen, um etwas von ihrem Mann bei sich zu haben und der Gesellschaft ihre Trauer in angemessener Form zu zeigen.«
    Sweeney nahm eine der Broschen und besah sie sich unter der Lupe. Anschließend reichte sie sie an Quinn weiter.
    »Dieses Stück ist etwas ungewöhnlicher. Es stammt auch aus dem Viktorianischen Zeitalter, ist aber circa zwanzig Jahre jünger als die Kette.« Die Brosche war aus in einem goldenen Rahmen gefassten Milchglas, auf das das Bild einer Frau gemalt war, die auf einem Friedhof vor einer Trauerweide über eine Urne gebeugt stand. Die Trauerweide sowie das Haar und das Kleid der Frau waren aus hellbraunem Haar gefertigt, das geknüpft und gewickelt worden war. Darunter stand in grazilen Buchstaben »Geliebter Sohn, Edmund« geschrieben.
    »Das ist eine gängige Trauerszene. Sie sehen, sie wurde auf Milchglas gemalt und das Haar diente als Verzierung.«
    Quinn besah sich die Brosche. »›Geliebter Sohn, Edmund‹«, las er laut. Also gehörte sie der Mutter von diesem Edmund?«
    »Das ist anzunehmen.«
    »Könnte sie derselben Person gehört haben wie die Kette? Einer Frau, die erst ihren Mann und dann ihren Sohn verlor?« Quinn gab Sweeney die Brosche zurück.

    »Das weiß ich nicht. Es kommt darauf an, wo dieser Schmuck herstammt. Wenn Sie seinen Ursprung kennen, könnten Sie auch herausfinden, wer Edmund war und vielleicht auch, wer die Frau war.« Sie legte die Brosche auf den Tisch. »Das ist gerade das Interessante daran: Die Lebensdaten dieses Edmunds stehen hinten auf der Brosche, in die goldene Rückseite graviert. 4. März 1864 - 23. Juni 1888.«
    Sie deutete auf die Zahlen.
    »Die andere Brosche ist älter, möglicherweise um 1850 herum.« Sweeney betrachtete den Stich und die Initialen: ein kleines Fenster aus blondem Haar im Korbmuster geflochten, auf der Fassung stand »B.C. R.I.P.« zu lesen.
    »Gehört sie dazu?«
    »Schwer zu sagen. Aber in der Oberschicht war es üblich, als Erinnerung Trauerschmuck von mehreren Familienmitgliedern anzufertigen, und das könnte auch hier der Fall gewesen sein.«
    Quinn schwieg und Sweeney fuhr fort.
    »Die Geschichte des Trauer- oder memento mori -Schmucks ist hochinteressant. Memento mori heißt so viel wie ›denke an den Tod‹ oder ›denke daran, dass du sterben musst‹. In Europa war der Tod seit dem Mittelalter durch Kriege und Seuchen zu einem Teil des Lebens geworden, und die Hinterbliebenen trugen memento mori -Schmuck, wie etwa Fingerringe mit Totenköpfen. Es ging darum, den Tod als etwas stets Gegenwärtiges vor Augen zu haben, um darauf vorbereitet zu sein. Nun, im siebzehnten Jahrhundert begannen die Europäer, aus Haar gefertigten Schmuck zu tragen. Meist wurde das Haar des Verstorbenen geflochten und auf einem Plättchen befestigt. Es wurde oftmals mit den Initialen oder einem goldenen Symbol verziert und unter Glas gebracht. Die Symbole standen meist für den Tod - ein Skelett, ein Stundenglas. Aber im Lauf der Zeit änderte sich die bildliche Darstellung des Todes. Es wurden auch Urnen, Weiden oder Weizengarben verwendet.«

    »Also sagen Sie, dass dieser Schmuck aus Europa stammt?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich würde sagen, er wurde hier in Boston gemacht. Die Juweliere in Philadelphia und New York haben Ende des achtzehnten und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts angefangen, Schmuck aus Haaren herzustellen. Es gibt Experten, die Ihnen exakt benennen können, woher diese Stücke stammen. Ich kann sie einer Frau, die ich kenne, vorlegen, wenn Sie wollen.«
    »Vielleicht.« Er wollte noch etwas sagen, als das Mobiltelefon klingelte und er in seine Tasche griff. Er blickte auf das Display, schielte zu Sweeney hinüber und durchquerte den Raum, bevor er das Gespräch annahm und ihr den Rücken kehrte. »Ja? Was? Geht es ihr gut?«, hörte sie ihn flüstern.
    Sweeney nahm die andere Brosche in dem Plastikbeutel in die Hand und ließ ihren Finger
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