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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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grelle Deckenbeleuchtung Fältchen um seine Augen und Ringe darunter hervor, die ihn fast so alt machten, wie Sweeney selbst war. Er hatte aschblondes Haar, das oben auf dem Kopf etwas schütterer wurde, kurz geschnitten, und blaue Augen in einem allgemein attraktiven Gesicht. Sein gutes Aussehen assoziierte sie mit Strandpartys und einer blonden Freundin im Bikini. Der Ehering wirkte unpassend.
    »Danke, dass Sie so rasch kommen konnten«, sagte er. »Wenn Sie mir folgen wollen … hier entlang, bitte.« Wieder fiel ihr der breite Bostoner Akzent auf - hi-ah statt hier. Sie gingen durch mehrere Türen bis zu einem Flur, von dem aus sie durch weitere Türen in ein kleines Zimmer gelangten, das
mit Aktenschränken, einem niedrigen Tisch sowie ein paar Stühlen ausgestattet war.
    »Bitte entschuldigen Sie, wie es hier aussieht. Ich wollte nur etwas Ruhe haben, um die … Objekte anzusehen.« Er schloss die Tür hinter ihnen und bedeutete Sweeney, Platz zu nehmen. »Möchten Sie einen Kaffee oder so?«, fragte er. »Wir haben nur welchen aus dem Automaten. Ehrlich gesagt würde ich ihn nicht empfehlen, aber falls Sie dringend einen Koffeinschub brauchen …«
    »Nein danke. Wirklich.«
    »Ich habe beim Museum der Schönen Künste angerufen, um zu hören, ob mir dort noch jemand anderer empfohlen werden kann, der sich die Sachen mal ansieht. Sie haben mir geraten, mich bei Ihnen zu melden. Haben Ihre Arbeit äußerst lobend erwähnt.«
    »Oh … danke.«
    Er öffnete einen braunen Umschlag, der auf dem Tisch gelegen hatte, und nahm einen Plastikbeutel heraus. Er enthielt vier verschiedene Schmuckstücke, die jeweils in einem kleineren, mit einem weißen Nummernetikett versehenen Reißverschlussbeutel steckten. Sweeney besah sich die Objekte - eine aus Haaren gefertigte Kette, ein Medaillon und zwei Broschen.
    »Der Schmuck steht in Verbindung mit einem Tatort, den wir heute Morgen aufgesucht haben«, erklärte Quinn. »Es handelt sich um Totenschmuck, nicht wahr?«
    Sweeney nahm den Beutel prüfend in die Hand.
    »Ja. Das ist eine interessante, kleine Kollektion. Besonders diese eine Brosche. Älter als das meiste, was man außerhalb von England zu sehen bekommt. Kann ich …«
    Er nickte, sie nahm die Schmuckstücke aus dem Beutel und musterte sie. »Wenn Sie eine Lupe hätten - oh, und etwas zum Schreiben -, das wäre sehr hilfreich«, bat sie. Quinn tippte eine Nummer ein und gab die Wünsche über das Telefon, das auf dem Tisch stand, weiter.

    »Also, das hier ist eine klassische aus Haaren gearbeitete Kette«, sagte sie und zeigte ihm das erste Stück, das aus vierzig Kugeln aus kompliziert geflochtenem, dunkelbraunem Haar bestand, aufgefädelt auf einer Kordel und mit einem unverwechselbaren dreiteiligen Verschluss verbunden. »Wenn ich die Lupe habe, kann ich Ihnen genauer sagen, wie alt sie ist, obwohl Sie für die Details vielleicht einen Juwelier fragen müssen, der sich auf solch antike Stücke spezialisiert hat. Aber der Machart des Verschlusses und dem Flechtmuster der Haare nach zu urteilen, würde ich Mitte Neunzehntes schätzen. Das ist aber nur eine Vermutung.«
    »Verzeihung, haben Sie gerade Haare gesagt?« Sie sah auf und bemerkte, dass Detective Quinn unter seinem Teint etwas blass geworden war. »Ich dachte, es handelt sich um irgendeine Art von Stoff oder Gewebe.«
    »Oh nein. Die Kette besteht aus Menschenhaar. Ende achtzehntes, Anfang neunzehntes Jahrhundert war Schmuck aus Haaren sehr beliebt. Die Hinterbliebenen haben die Haare ihres verstorbenen Liebsten aufgespart und ließen Ketten und Armbänder daraus flechten. Oder sie haben es selbst gemacht. Es war eine willkommene Beschäftigung für wohlhabende Ladys. Bei dieser Kette wurde das Haar um eine kleine Kugel aus Holz gelegt, um die runde Form zu erhalten. Anschließend wurden die Kugeln aneinandergenäht und auf eine Kordel aufgefädelt, damit die Kette nicht zu stark ausleierte.«
    Quinn wirkte immer noch leicht verblüfft, und Sweeney fuhr fort: »Ich weiß, für uns klingt das etwas seltsam. Wir haben heute eine weniger intime und unbefangene Beziehung zum Tod, aber früher war er ein Teil des Lebens. Kinder starben, Erwachsene verloren ihre Partner viel früher als heute. Zu trauern war ein wichtiger Teil der ungeschriebenen sozialen Etikette. Es gab Regeln, was man wann anzog. Und Haare waren der Teil des Körpers, der sich nicht zersetzte, also wurde daraus eine bleibende Erinnerung an den Verstorbenen.
« Sweeney betrachtete erneut
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