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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Autoren: Alexandra Grote
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Kandidaten war er diesmal besonders zufrieden. Ein Milliardär und ein Clochard aus dem Parc de Belleville - das fiel aus dem Rahmen. Gleichzeitig
schien eine solch extreme Mischung hochaktuell. Angesichts der Wirtschaftskrise und der galoppierenden Vernichtung von Arbeitsplätzen würde die Mittelschicht zunehmend verschwinden. Bald gab es vermutlich nur noch ganz Reiche und ganz Arme. Der Clochard aus dem Parc de Belleville schien also der ideale Gegenpart zu dem Milliardär Léon Soulier, einem persönlichen Freund von Ribanville. Soulier besaß neben einer florierenden Softwarefirma einen Fußballclub, der in der Ersten Liga spielte, sowie den Medienkonzern MediaFrance , wozu mehrere Verlage, ein Rundfunksender und diverse Internetplattformen gehörten . In einem Interview in einer seiner eigenen Zeitungen hatte Soulier vor wenigen Tagen erklärt, dass er den gesamten Geldbetrag, den er bei der Show heute Abend gewinnen würde, einer gemeinnützigen Einrichtung spenden wollte. Von dem Clochard war keine entsprechende Äußerung bekannt.
    Als sein Handy klingelte, erhob sich Ribanville und verließ das Esszimmer. Erst dann nahm er das Gespräch an. Es war Louis Bouvier, der ihn anrief, und toi, toi, toi für die heutige Sendung wünschte.
    »Schade, dass ich nicht zu deiner Party heute Abend kommen kann«, sagte Louis mit seiner sonoren Stimme. »Aber bei der Hitze ist mir die Fahrt einfach zu anstrengend.«
    Mit Louis Bouvier verband Ribanville eine langjährige Freundschaft. Trotz ihres Altersunterschieds von beinahe zwanzig Jahren hatten sie gemeinsame Interessen. Sie trafen sich regelmäßig in Bouviers Anwesen in der Normandie, manchmal auch in größerer Runde. Ein weiterer Freund, Jean-François Kahn, war noch enger mit Ribanville verbunden.
Die beiden kannten sich schon eine Ewigkeit. Jean-François hatte im Hafen von Deauville eine schöne Motorjacht liegen. Tagesausflüge zum Fischen oder ein Kurztrip an die englische Kanalküste - das waren entspannende Freizeitvergnügungen, die ein gestresster Fernsehmoderator zu schätzen wusste.
    Jetzt bedankte er sich für den Anruf seines Freundes, versprach, über das lange Feiertagswochenende zu kommen, und stellte das Handy ab.
     
    Louis Bouvier legte sein Mobiltelefon auf den Tisch, lächelte und seufzte. Er beneidete Yves nicht um seinen Job in dem heißen und stickigen Fernsehstudio. Zweihundert Kilometer nördlich von Paris, in dem kleinen Ort Blonville-sur-Mer, vier Kilometer von Deauville, waren die Temperaturen nicht viel erträglicher als in der Hauptstadt. Die schwache Brise, die vom Meer herwehte, glich eher einem heißen, afrikanischen Wüstenwind. Die sonst immer grünen Wiesen und Weiden im Flachland der Normandie hatten in den letzten Wochen eine schmutzig braune Farbe angenommen. Abend für Abend zogen Gewitterwolken auf und schürten die Hoffnung auf Regen. Doch am nächsten Tag lag das Land ebenso trocken und verdorrt wie zuvor im milchigen Licht.
    Die Räume des quadratisch angelegten Gebäudes mit Innenhof und meterdicken Außenmauern boten Kühle und Schutz gegen die Temperaturen, die sich auch hier seit Tagen bei vierunddreißig Grad Celsius eingependelt hatten. Das Anwesen Le Cloître war, wie der Name sagte, ein ehemaliges Kloster, gegründet von den Mönchen des Templerordens
nach Ende des zweiten Kreuzzuges. Die Ordensbrüder, die das Kloster bis zum Verbot des Ordens durch die Inquisition zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts bewohnten, verbanden die Ideale des Rittertums mit denen der Mönche. Nach dem Ende der Templer erlebte das Kloster eine stürmische und wechselhafte Geschichte. Bis zur Revolution nutzten Benediktinermönche das Anwesen. Während der Revolution wurden sie vertrieben, die Kirche und das Kloster geplündert und Teile des Hauptgebäudes niedergebrannt. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts kaufte ein reicher Stahlindustrieller aus Lothringen den Besitz der zuständigen Diözese ab. Er restaurierte die beschädigten Gebäude und machte sie zu seinem Landsitz. Bis zum Zweiten Weltkrieg blieb Le Cloître im Besitz seiner Familie. Als die Deutschen das Land besetzten, richteten sie im ehemaligen Kloster ihre Kommandantur ein. Ein Teil der alten Mönchsklausen wurde von der Gestapo als Gefängniszellen und Folterkammern genutzt. Nach der Befreiung im Sommer 1944 stand Le Cloître jahrzehntelang leer und drohte zu verfallen. Die Nachfahren des Bergwerkbesitzers hatten das Anwesen Mitte der vierziger Jahre an den Staat
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