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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Autoren: Alexandra Grote
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zwischen Brückenpfeiler und den letzten Sprossen des Baugerüstes. Es war ein kleiner, fast schmächtiger Körper. Auf der gesamten Rückenfläche und dem Hinterkopf klebte eine Schicht aus Schlick, Blättern, Resten von Papier, Plastiktüten und anderen Abfällen. Deshalb bemerkten Brigitte und LaBréa auch nicht gleich, dass die Hände des Toten auf dem Rücken zusammengebunden waren. Als einer der Taucher den Körper ein wenig anhob, sahen sie es und tauschten einen vielsagenden Blick. Es gab keinen Zweifel: Das hier war ein Fall für die Mordkommission.
    »Das ist doch ein Kind, oder?«, fragte LaBréa leise. Brigitte zuckte mit den Schultern.

    »Kann ich noch nicht sagen. Warten wir’s ab.«
    Der Gendarmeriehauptmann der Wasserschutzpolizei ließ das Boot so nah wie möglich heranfahren. Noch immer war das Gesicht des Toten nicht zu erkennen. Der zweiarmige Auslegekran des Polizeibootes wurde nach Backbord hinausgefahren. An den Enden verfügte er über breite Zugriemen, die die Taucher jetzt vorsichtig um Brust und Beine des Leichnams legten. Dann wurde der Körper ins Boot gehoben. Die Barkasse fuhr einige Meter weiter, um im Schatten unter dem Brückenbogen Schutz vor der gleißenden Mittagssonne zu suchen.
    Auf dem Pont Neuf und an den Seinequais hatten sich inzwischen Neugierige eingefunden, die das Geschehen verfolgten. Als das Polizeiboot ihren Blicken entschwand, zerstreuten sie sich.
    Die Taucher gingen zurück an Bord des Feuerwehrbootes, das kurz darauf davonfuhr.
    Brigitte Foucart, die ihre Schutzkleidung übergezogen hatte, kniete sich auf den Boden und entfernte vorsichtig Unrat und Schlick vom Rücken und aus den Haaren des Toten. Der Leichnam war vollständig nackt. Dort, wo eine weißblaue Nylonschnur in die über Kreuz gefesselten Handgelenke schnitt, hatte sich die Haut in Streifen gelöst. Das Fleisch darunter schimmerte grünlich. Erste Fäulniserscheinungen. Jetzt drehte Brigitte den Leichnam um. Bei dem Menschen, der mit zusammengebundenen Händen aus der Seine gefischt worden war, handelte es sich um einen Jungen. LaBréa schätzte, dass er nicht älter als zwölf, höchstens dreizehn Jahre alt sein konnte.

    LaBréa blickte in das vom Wasser aufgeschwemmte Gesicht. Als Erstes fielen ihm die starken, schwarzen Farbspuren an den Lidrändern des Jungen auf. Eyeliner? War er geschminkt worden? Hatte er es selbst getan? Die weit aufgerissenen Augen wirkten trüb und farblos. Auf den halbgeöffneten Lippen und an den Nasenlöchern hatte sich ein feinblasiger Schaumpilz gebildet. LaBréas Blick wanderte zur Mitte des Körpers, zu dem kindlichen Geschlechtsteil und der Grünfärbung am rechten Unterbauch, einem weiteren Indiz für den beginnenden Fäulnisprozess. Einen Moment kämpfte LaBréa gegen die Übelkeit an, die in ihm aufstieg. An den Fingern des Jungen hatte sich bereits Waschhaut gebildet, ebenso an den Füßen. Teilweise war die Haut auch dort bereits abgelöst. Wasserleichen sahen auch nach wenigen Tagen Liegezeit im Wasser grauenvoll aus und stanken bestialisch. LaBréa holte ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und drückte es sich vor den Mund.
    Niemand sprach zunächst ein Wort. LaBréa deutete auf die Augenränder des Jungen.
    »Wahrscheinlich Eyeliner, oder?«
    »Ja. Die Spuren sind gut erhalten. Wir werden sehen, was es ist.«
    Brigitte öffnete den Mund des Jungen, dessen Lippen auch jetzt nach dem Tod noch sensibel wirkten. Ein Schwall brackiges Wasser quoll heraus, und ein grünlich gelber Käfer von etwa drei Zentimetern Länge krabbelte über die Lippen auf die rechte Wange des Toten. Mit flinker Geste griff Brigitte Foucart nach dem Tier und fing es in ihrer Hand. Aus ihrem mobilen Einsatzkoffer nahm sie eine Plastikdose und ließ das Insekt hineingleiten, bevor sie das
Gefäß sorgfältig verschloss. Eingehend betrachtete sie den Käfer, der sich fürs Erste tot stellte, und wandte sich dann an LaBréa.
    »Ein Gelbbrandkäfer. Lebt in Bächen, Flüssen, Tümpeln. Frisst Kaulquappen, junge Fische - und Aas.«
    Vorsichtig tastete sie mit dem Finger die Mundhöhle des Jungen ab.
    »Hinten am Gaumen, da hat er schon angefangen. Da spüre ich ein Loch.« Mit scharfem Blick taxierte sie die Wangenoberfläche. »Von außen ist nichts zu sehen. Das Tier war noch nicht lange bei der Arbeit.«
    Anzeichen von Gewalteinwirkung waren im Gesicht nicht zu entdecken. An den Armen erkannte LaBréa Spuren von Hämatomen. Er deutete darauf.
    »Sieht aus, als wäre er
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