Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Autoren: Alexandra Grote
Vom Netzwerk:
nützte nicht viel, die Fenster zu öffnen, da von draußen nur noch mehr Hitze hereinströmte. Jalousien oder Vorhänge gab es nicht. So beschloss LaBréa, dass die heutige Talkrunde im Büro der Mitarbeiter stattfinden sollte. Dort führten die Fenster auf einen schmalen Innenhof, der den ganzen Tag im Schatten lag.
     
    Wenig später war die Talkrunde komplett. Jean-Marc, der Paradiesvogel, erschien als Letzter. Francks Anruf hatte ihn im Bois de Boulogne erreicht, wo er am schattigen Ufersaum des Unteren Sees eine Decke ausgebreitet hatte und eingeschlafen war. In bunten Bermudashorts, Flip-Flops und einem grell gelben, ärmellosen T-Shirt war er von dort mit öffentlichen Verkehrsmitteln direkt zum Quai des Orfèvres gekommen.
    »Tut mit leid, Chef«, sagte er, als er das Büro betrat. »Aber umziehen konnte ich mich leider nicht mehr.«

    Franck grinste.
    »Pass bloß auf, dass der Schöngeist dich heute nicht sieht. Der rastet sonst komplett aus.«
    Direktor Thibon, genannt Schöngeist , war LaBréas direkter Vorgesetzter. Normalerweise fuhr er im August immer in Urlaub. Er besaß ein Ferienhaus an der Côte d’Azur mit einem Stück Privatstrand, auf das er besonders stolz war. In diesem Sommer hatte das Schicksal seine Pläne durchkreuzt: Seine Frau lag mit einem komplizierten Beinbruch im Krankenhaus und kam in einigen Tagen in eine Rehaklinik. So flog Thibon nur an den Wochenenden in den Süden, um wenigstens zeitweilig der Hitze der Stadt zu entfliehen.
    LaBréa informierte seine Mitarbeiter über den Fund der Wasserleiche.
    »Mit gefesselten Händen in den Fluss geworfen?« Claudine war entsetzt. »Wer macht denn so was?«
    »Wir wissen noch gar nichts«, stellte LaBréa sachlich fest. »Abgesehen davon, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach Mord ist. Aber wir kennen weder den Tatort noch die Umstände, unter denen der Junge gestorben ist.«
    »Irgendjemand wird ihn doch vermissen, oder?« Franck blickte in die Runde.
    »Das ist nicht gesagt. Viele Kinder verschwinden, und niemand meldet sie als vermisst.« LaBréa schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein und trank es in einem Zug leer.
    »Ich gehe die Vermisstenanzeigen durch«, sagte Claudine. LaBréa nickte.
    »Ja, und Franck hilft Ihnen dabei. Aber beschränkt euch nicht auf die Fälle in Paris. Erkundigt euch in allen umliegenden
Départements, besonders in denen, durch die die Seine fließt.«
    »Ein minderjähriger Junge, entsorgt wie ein Stück Müll …«, sagte der Paradiesvogel leise. »Da gibt’s nicht viele Möglichkeiten. Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch …«
    »Daran habe ich natürlich auch sofort gedacht«, erwiderte LaBréa. »Aber warten wir ab, was Dr. Foucart rausfindet.«
    »Was ist mit den Binnenschiffern? Den Ausflugsbooten, Chef?«
    »Das ist der nächste Punkt, Jean-Marc. Wir beide setzen uns mit den Schifffahrtslinien in Verbindung. Welche Frachtund Personenschiffe sind in den letzten Tagen durch Paris gefahren? Hat irgendjemand vom Schiff aus was Verdächtiges beobachtet? Zum Beispiel, ob sich irgendwo an den Ufern jemand auffällig verhielt. Oder auf einer Brücke. Es könnte auch sein, dass der Junge direkt von einem Schiff aus über Bord geworfen wurde. Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.«
    »Moment mal.« Claudine tippte etwas in ihren Computer ein und las laut vor. »Die Seine … hier hab ich’s. Sie entspringt in Burgund und mündet bei Le Havre in den Ärmelkanal. Länge: 776 Kilometer. Schiffbare Länge: 560 Kilometer. Und schiffbar ist der Fluss ab Nogent-sur-Seine, das ist in den Ardennen.«
    LaBréa nickte.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Claudine. Von Nogentsur-Seine bis Paris ist es eine ganz schöne Strecke.«
    »Genau.« Claudine warf erneut einen Blick auf ihren Bildschirm. »Und vergessen wir nicht die Nebenflüsse, die
auf der gesamten Länge bis Paris in die Seine münden. Er kann auch von dort her in den Fluss geschwemmt worden sein.«
    »Ich denke, er lag nicht länger als ein, zwei Tage im Wasser?«, fragte Franck.
    »Ja, und daher können wir das Gebiet auch eingrenzen«, sagte LaBréa. »Jean-Marc, rufen Sie die Schifffahrtbehörde an und erkundigen Sie sich wegen der Strömungsverhältnisse des Flusses.«
    »Die werden bei dem niedrigen Wasserstand anders sein als sonst.«
    »Richtig. Deshalb müssen wir in Erfahrung bringen, welche Strecke ein im niedrigen Wasser treibender Körper in welcher Zeit zurücklegt. Von Dr. Foucart erfahren wir hoffentlich die möglichst exakte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher