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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Autoren: Alexandra Grote
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festgehalten worden«, meinte er.
    »Das schaue ich mir später noch genauer an«, erwiderte Brigitte. Ihr Augenmerk richtete sich auf die Oberschenkel und die Hüften des Jungen, die tiefe Verletzungen aufwiesen.
    »Das könnten Treibverletzungen sein«, meinte Brigitte. »Wer weiß, wo der Junge in die Seine geworfen wurde.«
    »Er könnte also beim Treiben im Wasser an irgendwelchen Brückenpfeilern hängen geblieben sein, oder hier am Baugerüst?«, fragte LaBréa
    Die Gerichtsmedizinerin nickte.
    »Vielleicht ist der Körper auch in die Nähe einer Schiffsschraube geraten.«
    »Wie lange liegt er schon im Wasser?«
    »Nicht sehr lange, Maurice, so viel steht fest. Die Totenstarre hat sich im Kiefer zwar schon gelöst, aber das geht
bei den momentanen Temperaturen schnell. Aber auf keinen Fall befindet er sich schon Wochen oder gar Monate im Wasser. Es gibt keine Fettwachsbildung und erste Fäulniserscheinungen nur den Handgelenken und Unterbauch. Das erkennt man an der grünlichen Einfärbung. Bei den momentanen heißen Temperaturen würde eine Wasserleiche bereits nach wenigen Tagen ganz anders aussehen.«
    »Dann liegt er also erst seit kurzer Zeit im Fluss?«
    »Ein, zwei Tage, würde ich sagen. Genaueres nach der Autopsie, wie immer.«
    »Der Wasserstand der Seine ist im Moment ungewöhnlich niedrig. Vielleicht mit ein Grund, warum er so schnell entdeckt wurde.«
    Brigitte nickte.
    »Ja. Wahrscheinlich können wir von Glück sagen, dass der Fluss Niedrigwasser hat. Sonst wäre er vielleicht erst viel später gefunden worden. Das hätte alles nur noch erschwert.«
    »Die entscheidende Frage, Brigitte, ist doch die: Wurde er ins Wasser geworfen, als er bereits tot war, oder hat er noch gelebt und ist elendig ertrunken?«
    Brigitte lächelte, erhob sich und strich ihren Schutzkittel glatt.
    »Für mich ist das eine der einfachsten Fragen überhaupt. Ich sehe mir seine Lungen und die Atemwege an, dann kann ich es dir mit hundertprozentiger Sicherheit sagen.«
    LaBréa wandte sich an den Gendarmeriehauptmann.
    »Wer hat die Leiche eigentlich entdeckt?«
    »An der Anlegestelle »Vedettes du Pont Neuf« wartete ein Mann auf das Ausflugsboot Richtung Canal St. Martin
und bemerkte etwas am Brückenpfeiler. Er hatte sein Fernglas dabei und meinte, einen Körper im Wasser zu sehen. Da hat er die Notrufnummer gewählt. Zuerst kam das Boot der Feuerwehr, dann wir. Voilà.« Der Mann nahm seine Mütze vom Kopf und strich sich mit der Hand über die schweißnasse Fläche seiner beginnenden Glatze.
    LaBréa griff nach seinem Handy und wählte die Nummer seines Mitarbeiters Franck Zechira.
    »Wo sind Sie gerade, Franck?«, fragte er.
    »Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich liege im kalten Wasser in meiner Badewanne.«
    »Dann trocknen Sie sich schnell ab und kommen Sie ins Büro. Es gibt Arbeit. Und sagen Sie Claudine und Jean-Marc Bescheid. In einer halben Stunde steigt die Talkrunde.«
    Ebenso wie er bummelten seine Mitarbeiter in den letzten Tagen ihre Überstunden ab und verbrachten, jeder auf seine Weise, die heißen Tage. Im Anschluss an das Gespräch mit Franck wählte LaBréa die Nummer des Ermittlungsrichters. Er sagte die Verabredung zum Mittagessen ab und informierte ihn über den Fund der Wasserleiche.
    LaBréa warf einen letzten Blick auf den toten Jungen, den Brigitte soeben mit einem weißen Tuch bedeckte. An einer Anlegestelle in der Nähe des Gerichtsmedizinischen Instituts würde man den Leichnam von der Polizeibarkasse auf einen Wagen umladen und in den Sezierraum schaffen. LaBréa beneidete Brigitte nicht um die Autopsie und war froh, dass er nicht dabei sein musste. Was die Ermittlungen in diesem Mordfall betrafen - sie würden schwierig werden, das wusste er. Eine nackte Kinderleiche. Keine Papiere,
kein Name, keine besonderen rassischen Merkmale. Schwarze Haare und ein dunkler Teint. Nichts wies auf die Identität des Jungen hin. LaBréa und seine Leute würden am Punkt null anfangen. Wenn in Paris und Umgebung kein Kind als vermisst gemeldet worden war, auf das die Beschreibung des Jungen passte, schwanden die Chancen auf eine rasche Aufklärung rapide.
    LaBréa ließ sich an der Dampferanlegestelle »Vedettes du Pont Neuf« absetzen, überquerte die Place Dauphine und betrat zwei Minuten später die Eingangshalle des Polizeipräsidiums. Angenehme Kühle empfing ihn, die jedoch nur kurz währte. In seinem Büro, dessen Fensterfront nach Süden wies, schlug ihm abgestandene, stickige Luft entgegen. Es
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