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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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erliegt«, sagte sie verlegen. »Wo Ihr doch so lange und so hart darum gekämpft habt, Euch von der Sucht zu befreien.«
    Damit rührte sie an einen wunden Punkt. Nun war es an ihm, betreten dreinzuschauen. Er wich ihrem Blick aus, machte sich an seiner weißen Tunika zu schaffen und zupfte das gleichfalls weiße Skapulier unter dem schlichten Gürtel zurecht. Die Bemerkung rief ihm den heiligen Schwur ins Gedächtnis, den er erst wenige Monate zuvor, am Hochfest von Mariä Geburt, vor dem Altar der seligen Jungfrau abgelegt hatte, nämlich, der Versuchung dieser süchtig machenden Weltentrückung fortan viel entschiedener zu widerstehen. Und Gershom wusste von seinem Schwur, hatte er ihm doch selbst davon erzählt, als sie bei Brot und einem Krug Wein im Giardino die Sonne eines der letzten warmen Oktobertage genossen hatten.
    »Seine Sorge ehrt ihn, verleiht ihm aber nicht das Recht, darüber zu entscheiden, ob oder wie ich meine Dämonen im Zaum halte!«, knurrte er, leerte den Becher und knallte ihn auf den Tisch.
    Rebecca nahm ihn an sich. »Übrigens werdet Ihr das Geld, das Ihr meinem Mann für das Opium gezahlt habt, in der Tasche Eurer Kutte wiederfinden.«
    »Teufel auch, das sieht ihm ähnlich! Aber wenn ich in Windeln gewickelt zu werden wünsche, steige ich wohl kaum in ein Opiumgewölbe hinab, sondern suche mir eine Amme!«, gab Pater Angelico zurück, trat an die Waschschüssel und schaufelte sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht. »Sagt ihm das, Rebecca! Aber nein, das soll Eure Sache nicht sein! Ich werde Gershom selbst sagen, was es zu seinem Gebaren als selbsternannte Amme zu sagen gibt!«
    Rebecca Jezek reichte ihm das Handtuch und nickte mit jener verständnisvollen Miene, die Frauen aufsetzten, wollten sie einem Mann zu verstehen geben, dass er sich ihrer Nachsicht sicher sein konnte, auch wenn er nichts begriffen hatte und zweifellos im Unrecht war.
    »Tut das. Ihr wisst, dass er ein offenes Wort schätzt und Euch keine Antwort schuldig bleiben wird«, sagte sie hintersinnig. »Aber jetzt solltet Ihr Euch erst einmal sputen, damit Euer Seelenheil keinen Schaden nimmt.«
    Das sagte sie mit solchem Ernst, dass der darin verborgene gutmütige Spott umso deutlicher wurde. Trotz seiner finsteren Stimmung konnte Pater Angelico nicht anders als lächeln. »Wenn sich die Frau eines Hebräers um das Seelenheil eines Klosterbruders sorgt, dann wird es wirklich höchste Zeit, das Weite zu suchen und in den barmherzigen Schoß der Mutter Kirche zurückzukehren«, entgegnete er und trocknete sich flüchtig Gesicht und Hände ab. Dann griff er zu seiner schwarzen, grobwollenen cappa und legte sich den Umhang um die Schultern.
    Rebecca trat hinaus in den Gang und hielt ihm den Vorhang aus bunten Perlenschnüren auf. » Schalom, Pater Angelico.«
    Er nickte ihr mit einem freudlosen Lächeln zu. » Pax vobiscum, Rebecca«, murmelte er. Augenblicke später trat er durch die Hintertür hinaus in den Hof und die kalte, regnerische Februarnacht.

3
    D er Mann, der in Santa Croce im tintenschwarzen Schatten eines Torbogens stand und mit einer Mischung aus nervöser Anspannung und freudiger Ungeduld die von heftigen Regenschauern gepeitschte Kreuzung des Borgo Pinti mit der Via dei Pilastri im Auge behielt, lächelte zufrieden. Für sein Vorhaben hätte er sich kein besseres Wetter wünschen können.
    Zweifellos war es ein gutes Omen, dass zur rechten Zeit solche Regenmassen vom Himmel stürzten. Die böigen Schauer spülten nicht nur den Dreck in die Abflussrinnen und Abwasserkanäle, sondern trieben auch jeden in den Schutz seiner Behausung, der dem hässlichen Wetter nicht um jeden Preis trotzen musste. Keiner der streunenden Straßenköter, die man gewöhnlich zu allen Tages- und Nachtstunden überall in der Stadt antraf, zeigte sich. Nicht einmal das dreiste Rattenpack, das so leicht durch nichts zu verscheuchen war, wagte sich aus seinen Löchern und Spalten.
    Was dem Mann jedoch noch weitaus mehr zupasskam, war der Umstand, dass er bei diesem Wetter vor den Wächtern der Nacht, die üblicherweise nach Mitternacht zu zweit durch die Stadt patrouillierten, nicht auf der Hut zu sein brauchte. Von diesen Bütteln der Kommune, die jeden anhielten, einem mit ihrer Laterne ins Gesicht leuchteten und barsch über Kommen und Gehen Auskunft verlangten, hatte er in dieser Nacht nichts zu befürchten. Die selbstgerechten Kerle hatten sich mit Sicherheit längst in die nächste Wachstube geflüchtet, um dort das Ende
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