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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Blut, das den Boden tränkte und dunkle Lachen bildete. Schwärme erregter Schmeißfliegen umschwirrten die Leichen und saugten das Blut gierig auf. Die Luft war erfüllt vom beißenden Qualm der in Flammen stehenden Gebäude und dem Gestank von Urin, Fäkalien und aufgefetzten Eingeweiden.
    Angelico Crivelli war mit den Schrecken des Kriegshandwerks vertraut, seit er denken konnte. Von Kindesbeinen an war er mit seinem Vater, der sein Leben lang als Wundarzt im Dienst von Condottieri gestanden hatte, im Tross von Söldnertruppen durch das in viele Herrschaftsgebiete zersplitterte Italien gezogen, von einem sommerlichen Feldzug und einem öden, endlos langen Winterlager zum anderen.
    Er hatte das blutige Handwerk des Waffenknechts erlernt, weil es ihm weniger grausam erschienen war, als mit der Knochensäge Gliedmaßen zu amputieren oder unter schauderhaften Bedingungen – auf einem dreckigen Tisch, unter einer stockfleckigen Zeltplane – Verwundete zusammenzuflicken, was meistens doch nicht gelang.
    Und so, wie er von klein auf den Umgang mit Waffen erlernt hatte wie andere das Färben von Stoffen oder das Backen von Brot, war ihm auch das Brandschatzen im Feindesland zur Gewohnheit geworden. Solches Vorgehen war ihm als ganz natürlicher, fester Bestandteil eines Feldzugs erschienen; selbst kriegführende Kirchenfürsten und Päpste wendeten es an. Er hatte es als so selbstverständlich hingenommen wie die sprichwörtliche und allseits akzeptierte Käuflichkeit der Condottieri, die heute für den Herzog von Mailand in den Krieg zogen, morgen Verbündete des Dogen von Venedig waren, übermorgen unter dem Banner der Republik Florenz ritten und sich nächste Woche vielleicht schon vom Papst oder vom König von Neapel die Taschen mit Gold füllen ließen.
    Dennoch hatte er sich nicht bewusst und selbständig dafür entschieden, sein Brot mit der Waffe zu verdienen, sondern war in das Leben eines Landsknechts unmerklich hineingewachsen. Und dann, vor nicht ganz drei Jahren – wenige Wochen nach dem plötzlichen Tod seines Vaters –, hatte er seinen Namen in das Soldbuch eines Truppenführers geschrieben, ohne groß darüber nachzudenken, was er damit tat.
    Sechzehn war er damals gewesen, stolz auf den Sold und das Wehrgehänge, das er seither trug. Die nagenden Zweifel, ob er sein Leben wirklich mit der Waffe in der Hand zubringen und damit sein Seelenheil verwirken wollte, hatten sich erst später eingestellt. Nach seinem ersten Gefecht nämlich, nachdem der erste Blutstrom unter seiner Klinge geflossen war.
    Beim Anblick des Massakers jedoch, das Bastiano Torentino und seine Stradiotti wie die Reiter der Apokalypse unter den Dorfbewohnern angerichtet hatten, gefror Angelico Crivelli das Blut in den Adern. Diese Greueltat hatte mit den gewöhnlichen Härten eines Feldzugs nichts mehr zu tun. Hier hatten Männer hundertfach unschuldiges Leben niedergemetzelt, um eine persönliche, ohnmächtige Wut blutig zu stillen.
    Abscheu stieg in ihm auf und zugleich der saure Geschmack von Übelkeit. Einer Übelkeit, die zu einem Gutteil ihm selbst galt. Die Erkenntnis, dass er als Landsknecht von Bastiano Torentinos Truppe an dieser Blutorgie mitschuldig war und dass dieses gottlose Handwerk nicht sein Leben sein konnte … nicht sein durfte, traf ihn wie ein Keulenschlag in den Unterleib.
    »Angelico! Verdammt noch mal, hörst du nicht?«, brüllte plötzlich jemand an seiner Seite. »Los, an die Arbeit! Die Sache hier wird zu Ende gebracht!«
    Angelico fuhr aus seiner Schockstarre auf und sah Bastiano Torentino an, der blutbespritzt neben ihm im Sattel saß. Blut tropfte auch von der Klinge seines Schwertes.
    »Warum um alles in der Welt habt Ihr dieses sinnlose Blutbad angerichtet?«, stieß er erschüttert hervor. »Die Leute dieses Dorfes haben uns doch nichts getan. All die unschuldigen Kinder und Frauen …«
    »Zum Teufel, jemand musste für das Blut unserer Kameraden bezahlen, und da hat es eben dieses dumpfe Bauernpack getroffen!«, schnitt der Condottiere ihm das Wort ab und herrschte ihn an: »Was soll das überhaupt? Du bist Landsknecht und nicht Samariter. Also behalt dein rührseliges Geschwätz für dich und tu, was ich dir befohlen habe, verdammt!«
    »Und das wäre?«
    »Hast du es jetzt auch noch auf den Ohren?«, blaffte Bastiano Torentino. »Du sollst ein paar Brandfackeln aus dem Wagen holen und gefälligst dabei helfen, diese elende Dorfkirche anzuzünden. Da haben sich einige verbarrikadiert. Aber das
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