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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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zwei Pferde satteln, und dann reiten wir ihnen nach, Pater!«
    »Nein!«, erwiderte Pater Angelico energisch. »Eure Bereitschaft ehrt Euch, aber das muss ich schon allein tun, glaubt mir!«
    Tiberio Scalvetti sah ihn einen langen Moment prüfend an und nickte schließlich. »Gut, wie Ihr meint. Ich würde an Eurer Stelle vermutlich nicht anders handeln. Aber ich bestehe darauf, dass Ihr mein Pferd nehmt. Es ist schnell und ausdauernd, und ich weiß, dass Ihr einen Vollblüter zu beherrschen wisst.«
    Pater Angelico bedankte sich, wohl wissend, welch eine Auszeichnung es war, dass der Commissario ihm seinen Draghetto anvertraute.
    Aber dabei beließ Scalvetti es nicht. Er griff zu seinem Schwertgehänge, das neben der Tür an einem Eisenhaken hing, und reichte es dem Dominikaner. »Ich bestehe darauf, Pater! Eine scharfe Klinge dürfte das überzeugendste Argument sein, wenn dieser Franzose sich nicht einsichtig zeigt! Und jetzt kommt! Ich begleite Euch hinüber zur Porta a San Frediano, damit die Wachen Euch das Tor öffnen. Auch ein Losungswort müssen wir mit ihnen absprechen, falls Ihr schon vor Sonnenaufgang zurück seid.«
    Pater Angelico blickte ihn dankbar an.
    »Ich werde im Haus meiner Schwester auf Euch warten, Padre«, sagte die Zofe erleichtert und wollte dem Mönch die Hand küssen, was dieser jedoch zu verhindern wusste.
    »Und was sage ich dem ehrwürdigen Vater, wenn Ihr weder zu den Vigilien noch zur Laudes im Chor steht, Meister?«, fragte Bruder Bartolo besorgt.
    »Was weiß ich! Meinetwegen, dass ich volltrunken war und es nicht zurück ins Kloster geschafft habe! Ach, sag ihm doch, was du willst!«, rief Pater Angelico, während er schon mit Scalvetti aus dem Zimmer stürmte. »Lass dir was einfallen, du hast doch Fantasie! Und mir ist egal, was du ihm erzählst!«
    Piccarda rief ihm noch etwas nach, vermutlich, wie dankbar sie ihm sei und wie sehr sie hoffe, dass letztlich alles gut ausgehen möge.
    Er hörte nicht hin. In Gedanken war er bei Lucrezia und diesem blasierten Schönling und Süßholzraspler Henri de la Croix, der ihn in diese kompromittierende Lage gebracht hatte. Seine Gefühle waren in Aufruhr, als sei ein Orkan in sie gefahren. Und dass er neben unbändigem Zorn auf den Franzosen auch Eifersucht spürte wie einen Messerstich, machte die Sache besonders schlimm.
    Wenige Minuten später ritten die beiden Männer hinüber nach Oltrano. Straßen und Plätze waren noch belebt, denn bis Mitternacht waren es noch gute zwei Stunden.
    Am Stadttor von San Frediano, das auf die Landstraße nach Livorno führte, sprach der Commissario kurz mit den Wachen, die seinen Anweisungen gar nicht eilfertig genug nachkommen konnten.
    Dann kam er zurück zu Pater Angelico, der sich etwas abseits der Pechfackeln gehalten hatte, um nicht erkannt zu werden. »Die Parole, die Euch das Tor wieder öffnen wird, lautet: ›Nordwind, erwache, Südwind, herbei!‹«
    Pater Angelico konnte sich ein kurzes, verlegenes Lachen nicht verkneifen. Natürlich hatte Scalvetti durchschaut, was es mit Lucrezia und ihm auf sich hatte, zumindest was seine Gefühle für sie betraf. Die Losung, die der Commissario gewählt hatte, stammte aus dem Hohelied Salomos, in dem eine wunderschöne, namenlose Geliebte mit einer Fülle blumiger Formulierungen schwärmerisch besungen wurde. Unmöglich, dass Scalvetti sich rein zufällig für diese Textstelle entschieden hatte!
    »Ihr seid wahrlich aus einem ganz eigenen Holz geschnitzt, Commissario!«
    »Genau wie Ihr!«, erwiderte Scalvetti mit einem Lächeln und reichte ihm die Hand. »Mir scheint, nicht nur Donzella Lucrezia, sondern auch Ihr steckt in einer bösen Klemme, aus der Euch wohl niemand heraushelfen kann als Ihr selbst. Möge die Sache den Ausgang nehmen, den Ihr Euch wünscht!«
    »Was voraussetzt, dass man genau das erst einmal mit Gewissheit weiß.«
    »Ich verstehe, aber ich zweifle nicht daran, dass Ihr es bald herausfinden werdet«, sagte Tiberio Scalvetti mit tiefem Ernst und reichte ihm die Hand. »Nun denn, möget Ihr finden, wonach Ihr sucht! Und möge Gott an Eurer Seite sein und Euch beschützen!«
    Pater Angelico ergriff die ihm dargebotene Hand und erwiderte den kräftigen Händedruck, in dem stumme Verbundenheit lag. »Und Ihr haltet Wacht über Florenz, Commissario!« Dann trieb er den Vollblüter an, donnerte schon im Galopp durch das tiefe, mit Kopfsteinen gepflasterte Torhaus und jagte hinaus in die Nacht – seiner Liebe und seinen Ängsten
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