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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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unnötigerweise.
    Tiberio Scalvetti kippte den Wein hinunter. »Und wie! Ein Wasserfall hätte sich gegen seinen Redeschwall wie ein müde plätschernder Bach ausgenommen! Sodino hat es gar nicht gefallen, dass der Kerl schon beim bloßen Klappern der Zangen lossprudelte! Da war von dem eiskalten Todesengel plötzlich nicht mehr übrig als ein heulender Jammerlappen«, sagte er verächtlich und schenkte sich nach.
    »Erzählt, Commissario! Warum, in Gottes Namen, hat er die Morde begangen?« Pater Angelico konnte es nicht erwarten, endlich zu erfahren, was den Mörder getrieben hatte. »Und wieso hat er meinen Klosterbruder, die Wachsbildnerin und den Sensale als Opfer gewählt?«
    »Bei Niccolo Landozzi liegt das Motiv auf der Hand – den Mord hat er begangen, um leichter an die Grundstücke auf der Via Sant’Anna zu kommen. Zudem hat der Sensale bestens in sein Todsünden-Muster gepasst.«
    »Aber was hätte Alessio davon gehabt?«
    »Wartet, das werdet Ihr sehen, wenn wir zu seinen Hauptmotiven kommen«, sagte Scalvetti streng. »Lasst uns erst einmal die äußeren Dinge abhaken.«
    Pater Angelico nickte.
    »Dass Pater Nicodemo der Beichtvater von Ser Aurelio war, hat er von seinem Kammerdiener gehört, dessen Bruder im Haus des Gelehrten in Anstellung ist«, fuhr Scalvetti fort. »Und die Wachsbildnerin kannte er persönlich, weil die Brancoletti sich bei den Calvanos schon mehrfach solche Bildnisse haben anfertigen lassen. Dass der Geselle Gismondo an jenem Abend in die Gilde aufgenommen werden sollte, hat er erfahren, als er in der Woche davor seine letzte Bestellung aufgab. So passte denn auch die fette Bartolomea hervorragend in sein Konzept. Die Abdrücke von Stiefel und Ring hat er übrigens unwissentlich hinterlassen. Er hat nicht gemerkt, dass er in das Wachs getreten und mit dem Ring an die Tischkante gekommen ist – was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass er gerade einen Menschen abgestochen hatte.«
    »Gut, das wäre also geklärt. Aber was wollte er mit den Morden erreichen? Dass er einen mörderischen Hass auf seinen älteren Bruder und seine Frau hatte, leuchtet mir ja noch ein, aber um sich an den beiden zu rächen, hätte er die drei anderen Morde doch nicht begehen müssen – oder doch zumindest die ersten beiden nicht. Warum diese Serie von Morden?«
    Tiberio Scalvetti verzog die Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln. »Zuallererst wollte er seine Frau loswerden, weil sie offenbar keine Kinder kriegt. Ihr wisst, dass es für einen Mann aus vornehmem Haus eine Katastrophe ist, keinen Stammhalter zu haben.«
    Pater Angelico nickte. »Er wird bemitleidet und ist obendrein von den Wahlen in hohe Staatsämter ausgeschlossen.«
    »Was für diese Signori einen bitteren Angriff auf ihr Ehr- und Selbstwertgefühl darstellt«, ergänzte der Commissario. »Bei Alessio kam aber noch etwas hinzu, das die Schmach vergrößert und ihm diesen Plan eingegeben hat.«
    »Natürlich, dass Antonetta ihn mit seinem eigenen Bruder betrogen hat!«
    »Nein. Sicher wollte er sich für diesen schändlichen Betrug rächen, aber das war nicht sein Haupt motiv«, entgegnete Scalvetti zur Überraschung des Dominikaners. »Den Entschluss, seinen Bruder zu töten, hatte er schon gefasst, bevor er den beiden auf die Schliche kam.«
    »Himmel, was war es dann?«
    »Ganz einfach: Alessio wollte nicht länger der unbedeutende kleine Bruder sein, den man wie einen Angestellten maßregeln, mit lästigen Aufgaben plagen und beliebig herumstoßen kann«, erklärte Scalvetti. »Kurzum, er wollte an Matteos Stelle treten und der reiche, allseits hofierte Bankherr sein!«
    »Aber das ginge doch gar nicht«, wandte Pater Angelico irritiert ein. »Dazu hätte er doch auch noch Galeotto aus dem Weg räumen müssen, der steht doch in der Nachfolge vor ihm!«
    »Ganz und gar nicht«, widersprach der Commissario und war seinerseits überrascht, als er das verständnislose Gesicht des Mönchs sah. »Ja, wisst Ihr denn nicht, dass Galeotto ein Bastard seines Vaters ist?«
    »Nein, das ist mir neu!«
    »Nun, Ihr wart lange aus Florenz weg, bevor Ihr in San Marco Mönch wurdet, und wenn auch jeder Bescheid weiß, so redet doch keiner über Verfehlungen dieser Art, und schon gar nicht, wenn ein vornehmer Name im Spiel ist. Jedenfalls hat der Vater Galeotto in sein Haus geholt, als er vier Jahre alt war, hat ihn mit seinen beiden legitimen Söhnen aufwachsen und ihm dieselbe Erziehung angedeihen lassen«, erzählte Scalvetti
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