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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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»Es sieht aus, als hätte Alessio ihn mit irgendeiner Substanz betäubt oder vergiftet. Ich kümmere mich um Alessio und seine Frau!«
    Tiberio Scalvetti nickte knapp und eilte zu dem Bankherrn, rüttelte ihn und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. »Er lebt!«, rief er Pater Angelico zu. »Aber ob er auch überlebt, ist ungewiss. Er muss das verdammte Zeug, das ihm da eingeflößt worden ist, schnellstens wieder herausbringen!«
    Und er war nicht zimperlich in seiner Methode, Matteo Brancoletti, den die Schläge nur halbwegs aus seiner Betäubung gerissen hatten, zum Erbrechen zu bringen. Er zerrte ihn hoch, schmiss ihn wie ein Kleiderbündel bäuchlings über die Sitzfläche des Stuhls, auf dem er eben noch gesessen hatte, zwang ihm den Mund auf und steckte ihm dann einen Finger tief in die Kehle.
    Die Reflexe des Bankherrn funktionierten. Der Reiz bewirkte, dass sich sein Magen umstülpte und er den vergifteten Wein in einem hohen Schwall ausspuckte. Was den Commissario aber nicht daran hinderte, ihm ein zweites Mal den Finger in den Hals zu stecken, damit auch ja alles herauskam.
    Indessen hatte sich Pater Angelico über Antonetta gebeugt und zu seiner großen Erleichterung festgestellt, dass sie regelmäßig atmete. Sie hatte das Bewusstsein verloren und sich beim Aufprall gegen die Wand eine Platzwunde am Kopf zugezogen, doch die gab keinen Anlass zu übermäßiger Besorgnis. Und bei dieser Feststellung beließ er es vorerst. Eine Frau, die zu sich kam, nachdem ihr eigener Ehemann sie beinahe ermordet hatte, und daraufhin einen hysterischen Anfall erlitt, war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten.
    Rasch wandte er sich Alessio zu, schnitt ihm das Pharaonengewand vom Körper und riss den Stoff in lange Streifen, mit denen er ihn an Händen und Füßen fesselte.
    »Verpasst ihm auch gleich einen Knebel, Pater!«, trug Tiberio Scalvetti ihm auf, schloss die Tür ab und nahm den Schlüssel an sich, während Matteo Brancoletti noch immer über der Sitzfläche des Stuhls hing und würgte, wobei er nur noch bittere Galle von sich gab.
    »Jetzt gibt es einiges zu bedenken«, sagte er dann und kam zu Pater Angelico herüber, in der Hand den Bogen Papier, der auf dem Tisch gelegen hatte.
    »Was soll es noch groß zu bedenken geben?«, fragte der Mönch. »Wir haben ihn, den Todesengel!«
    »Ohne jede Frage, und hier ist der Beweis, den wir gar nicht mehr brauchen«, sagte der Commissario und wedelte mit dem beschriebenen Blatt. »Aber es liegt weder in meinem Interesse noch vermutlich in dem von Matteo Brancoletti, seinen Bruder verwundet und gefesselt unter den Augen seiner illustren Gäste abzuführen und damit einen Skandal heraufzubeschwören, von dem sich das Haus Brancoletti kaum je erholen dürfte. Jetzt sollten wir unser Blatt geschickt spielen und uns ein paar Trümpfe für spätere Gelegenheiten aufsparen. Wer weiß, ob man selbst nicht auch einmal in eine unglückselige Situation gerät. Dann wird man froh sein, diese Trümpfe aufgespart zu haben und mit ihnen wichtige Gefälligkeiten einfordern zu können.«
    Es wunderte Pater Angelico nicht, dass Tiberio Scalvetti als Mann der Acht derartige Überlegungen anstellte. Für ihn hatten sie den Geruch von Erpressung, aber darüber wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Deshalb fragte er ohne weitere Widerworte schlicht: »Und wie wollt Ihr dieses Blatt spielen, Commissario?«
    Tiberio Scalvetti lächelte hintergründig. »Das werde ich Euch sagen, aber gefallen wird es Euch nicht, wie ich Euch kenne.«

48
    D ie Öllampen in Scalvettis Amtszimmer brannten mit ruhiger Flamme und warfen ihr Licht über den wuchtigen Schreibtisch des Commissario.
    Pater Angelico saß hinter dem Tisch im Lehnstuhl. Scalvetti hatte darauf bestanden, dass er dort wartete und nicht auf dem unbequemen Besucherstuhl. Die Wunde in seinem linken Unterarm war gereinigt, mit Salbe bestrichen und verbunden, und der pochende Schmerz ließ sich aushalten. Er hatte schon ganz andere Verletzungen ertragen müssen, nicht nur die quer über sein Gesicht.
    Vor ihm lag das Bekennerschreiben des Mörders. Alessio hatte es verfasst, aber natürlich nicht in seinem Namen, sondern in dem seines ältesten Bruders. Dessen Siegel trug es auch. Alessio musste es schon vor diesem Abend aufgesetzt und mit dem Siegel versehen haben. Der Mönch kannte das Geschreibsel schon fast auswendig.
    Der Herr sei meiner Seele gnädig! Ich bin seit Tagen vom Teufel besessen! Mit aller Macht und
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