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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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verzweifelten Gebeten habe ich gegen ihn gekämpft, aber ich war seiner teuflischen Gewalt nicht gewachsen. Und so habe ich als sein Todesengel die ungeheuerlichen Morde begangen. Jetzt ist auch noch die Frau meines Bruders unter meinen Händen gestorben, die der Satan geführt hat. Dabei habe ich sie geliebt wie mein eigen Fleisch und Blut! Hinterher ist mir jedes Mal, als erwachte ich aus einem schrecklichen Alptraum. Ich bin verloren, hoffnungslos verloren! Es muss ein Ende haben mit diesem entsetzlichen Teufelswerk, das der Leibhaftige mir abzwingt! Ich weiß keinen anderen Ausweg, um den blutrünstigen Satan in mir zu besiegen, als meinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Betet für meine Seele und wisst, dass nicht wirklich ich es war, der die Untaten begangen hat. Versagt mir nicht ein Begräbnis in geweihter Erde! Ich war dem Teufel hilflos ausgeliefert. Barmherziger Gott, sei meiner armen Seele gnädig! Du, der Allmächtige, weißt, dass der Teufel in mir saß, als ich von der Höllenmacht getrieben wurde, all das Unaussprechliche zu tun, gegen meinen Willen, der mir genommen war wie einem hilflosen Kind das Spielzeug! Erlöse mich von meiner Qual, mein Gott und mein Heiland, und schenke mir Dein göttliches Erbarmen!
    Pater Angelico atmete tief durch und trank einen Schluck von dem Wein, den Scalvetti aus der nächsten Schenke hatte kommen lassen. Er konnte noch immer nicht recht glauben, dass Alessio all diese Verbrechen begangen hatte. Warum? Weil er Matteo und seiner Frau auf die Schliche gekommen war? Das erschien als Motiv für die vielen Morde allzu dürftig.
    Er hätte jetzt unten im Folterkeller sein und die peinliche Befragung mit anhören können, aber noch einmal an diesen grässlichen Ort hinabzusteigen und Sodino bei der Arbeit zuzusehen, das hatte er nicht über sich gebracht. Alessio mochte die Folter zehnmal verdient haben – dabei sein wollte er nicht.
    Er hatte schnell begriffen, wie Scalvetti sein Blatt zu spielen gedachte, und es war schnell und ohne jedes Aufsehen geschehen. Zunächst hatte es ein wenig Zeit gekostet, Antonetta zu beruhigen und ihr vor Augen zu führen, dass sie sich und ihrer Familie keinen Gefallen tat, wenn sie ihren Mann öffentlich als den Todesengel brandmarkte. Matteo Brancoletti dagegen hatte das trotz seines angegriffenen Zustands sehr schnell erkannt und das Seinige getan, um Antonetta davon zu überzeugen, dass Scalvetti das Richtige vorhatte.
    Als sie endlich halbwegs beruhigt war, hatte der Commissario sie über die verschwiegene Dienstbotenstiege nach oben in ihre Privatgemächer gebracht und war mit einer festlichen Robe für Matteo Brancoletti zurückgekehrt. Dieser hatte den Schock und das Entsetzen über das, was sein jüngerer Bruder getan und für ihn und Antonetta im Sinn gehabt hatte, erstaunlich schnell überwunden. Er war ein wenig wackelig auf den Beinen gewesen, hatte aber eisern darauf bestanden, zu seinen Gästen zurückzukehren und so zu tun, als sei nichts weiter geschehen – als sei lediglich an seinem Kostüm eine Naht geplatzt und als habe Antonetta bedauerlicherweise einen Migräneanfall erlitten und sich in das Dunkel ihres Gemaches zurückgezogen.
    Anschließend hatte sich Scalvetti ins Bargello begeben und alles Nötige für den Abtransport des Mörders veranlasst. Wenig später war ein gewöhnliches Fuhrwerk im kleinen Hof des Bankanbaues eingetroffen. Zwei lange, leere Kisten waren abgeladen und vor die Tür zum Lagerraum gestellt worden. Und dann hatten Scalvetti und er eine der Kisten zurück in den Hof und auf das Fuhrwerk geladen. In der Kiste hatte Alessio gelegen, derart verschnürt, dass er sich nicht hatte rühren können. So hatten sie ihn ins Bargello gebracht. Niemand hatte ihn den Palazzo verlassen sehen, und auch im Hof des Bargello hatte ihn niemand zu Gesicht bekommen, denn erst im Kerkergewölbe hatten sie ihn aus der Kiste geholt.
    Und jetzt wurde er dort unten gefoltert!
    Pater Angelico hatte sich auf eine lange Wartezeit eingerichtet und war überrascht, als Tiberio Scalvetti schon nach kaum mehr als einer Viertelstunde zurückkehrte. Fast fürchtete er, Sodino könnte zu hart vorgegangen sein und unbeabsichtigt den verfrühten Tod von Alessio herbeigeführt haben.
    »So, das haben wir«, sagte der Commissario mit grimmiger Genugtuung und zerstreute damit Pater Angelicos Befürchtungen. Dann ließ er sich auf den freien Stuhl fallen und schenkte sich einen Becher Wein ein.
    »Hat er geredet?«, fragte der Mönch
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