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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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und fügte hinzu: »Es ist in diesen Kreisen ja nichts Ungewöhnliches, einer Ehefrau zuzumuten, dass sie den Sohn der Geliebten ihres Mannes im eigenen Haus mit aufzieht. Niemand findet das verwerflich, schließlich hat sogar unser Magnifico es getan. Geschieht so etwas, kauft man sich eben mit Wohltaten und Stiftungen von seinen kleinen sündigen Ausrutschern frei.«
    Und so verhielt es sich in der Tat. Die ach so dünkelhaften Grandi und Nobili der Stadt gaben, wenn es um männliche Nachkommen ging, nichts auf Sitte und Anstand und noch viel weniger auf die Gefühle ihrer Ehefrau. Eingedenk der hohen Kindersterblichkeit galt selbst ein Bastard als ein Sohn, den man trotz seines Makels zu hegen und zu pflegen hatte. Sozusagen als die beste aller Notlösungen für die eigene Nachfolge und den Fortbestand des Familiennamens, falls legitime Söhne ausblieben oder von der Pest oder anderen Unwägbarkeiten dahingerafft wurden. Lorenzo hatte da keine Ausnahme gemacht und es genauso gehalten wie so viele vor und nach ihm. Er hatte seinen Bastard Giulio schon als Kleinkind zu sich in den Palazzo geholt, hatte ihn mit seinen anderen Kindern von den besten Privatlehrern unterrichten lassen und auf diese Weise schon früh dafür gesorgt, dass er in der Kirche Karriere machen und als hoher geistlicher Würdenträger Ruhm und Ehre des Hauses Medici mehren konnte.
    »In diesem Licht betrachtet stellt sich die Mordserie natürlich ganz anders dar«, räumte Pater Angelico ein. »Hätte man Matteo tot neben diesem schriftlichen Schuldeingeständnis aufgefunden, wäre der Weg für Alessio frei gewesen, und abgesehen von einigem unangenehmen Gerede, das sicher schnell abgeklungen wäre, hätte er nichts zu befürchten gehabt, nicht einmal, dass die Kommune das Familienvermögen einzieht.«
    »Richtig. Gegen einen entsprechend üppigen Geldbetrag hätten sich genug hohe Geistliche bereitgefunden, standhaft zu erklären, dass Matteo Brancoletti in der Tat vom Teufel besessen gewesen sei, deshalb für die Morde auch nicht post mortem verantwortlich gemacht werden könne und sehr wohl Anspruch auf ein Begräbnis in geweihter Erde habe«, führte Scalvetti den Gedanken zu Ende. Anschließend berichtete er noch von einigen Details, zum Beispiel, wie Alessio sich in den Besitz des Schlüssels zum Glockenturm gebracht hatte.
    »Ich nehme an, er hat auch den Anschlag auf mich gestanden«, kam Pater Angelico schließlich auf einen Punkt zu sprechen, den der Commissario bislang unerwähnt gelassen hatte.
    »Nein, hinter dem Mordanschlag auf Euch hat er nicht gesteckt, und das ist die einzige ungeklärte Frage«, erwiderte Scalvetti. »Jedenfalls kann Alessio sie nicht mit Gewissheit beantworten. Und ich glaube ihm, weshalb ich mich dessen auch nicht unter der Folter vergewissert habe. Nach allem, was er zugegeben hat, hätte er wahrlich keinen Grund gehabt, diese eine Tat nicht auch noch zu gestehen.«
    »Aber wer war es dann?«
    »Alessio hat eine Vermutung, mehr aber auch nicht«, berichtete Scalvetti. »Er tippt auf seinen Bruder Galeotto.«
    Pater Angelico starrte ihn ungläubig an. »Galeotto? Er kann ihn doch unmöglich zu seinem Komplizen gemacht haben!«
    »Hat er auch nicht. Vielmehr nimmt er an, dass Galeotto irgendwie misstrauisch geworden ist, als Ihr ihnen den Knopf gezeigt habt. Natürlich war es Alessio, der ihn dem Toten in die Hand gedrückt hat, um eine Spur zu Matteo zu legen. Jedenfalls glaubt Alessio, dass Galeotto der Verdacht gekommen sein muss, dass Matteo etwas mit den Morden zu tun haben könnte, insbesondere nach dem Tod von Niccolo Landozzi. Er wusste ja nur zu gut, wie sehr Matteo darauf brannte, in den Besitz der Grundstücke zu kommen. Und in seiner hündischen Ergebenheit hat er wohl gemeint, er müsse Euch, die Ihr eine Gefahr für seinen Bruder darstelltet, aus dem Weg räumen. Aber das ist, wie gesagt, nicht mehr als eine Vermutung. Wenn auch eine, die Sinn ergibt und gut in das Bild passt, das ich von Il Brutto habe.«
    »Dann wird das wohl nie wirklich geklärt werden«, mutmaßte Pater Angelico.
    Tiberio Scalvetti nickte mit verdrossener Miene. »Es ist absolut ausgeschlossen, dass ich Galeotto auf diesen vagen Verdacht hin auf die Folter binden lassen und ihm ein Geständnis abringen kann«, sagte er. »Dieses Verbrechen wird leider ungesühnt bleiben.«
    Einen Punkt galt es noch zu klären, und Pater Angelico meinte, in etwa zu wissen, wie Scalvettis Antwort ausfallen würde. »Und was geschieht nun mit
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