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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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besonders eng gezogen.
    Es war der Prior, der dem stummen Ringen schließlich ein Ende setzte und sich geschlagen gab. Er wäre jedoch nicht Vincenzo Bandelli gewesen, hätte er die Niederlage nicht geschickt zu kaschieren gewusst. Als zwei Stallen neben ihm dem eulengesichtigen Bibliothekar Bruder Manetto die Augen zufielen und der Kopf auf die Brust sank, nutzte er die Gelegenheit, fuhr zu dem vom Schlaf übermannten armarius herum und holte ihn mit einem scharfen Zischlaut zurück ins Chorgebet.
    Pater Angelico empfand keine Genugtuung, geschweige denn Freude darüber, dass er seinem Oberen einmal mehr erfolgreich die Stirn geboten hatte. Vielmehr verstärkte es seine Niedergeschlagenheit und litt er umso mehr daran, dass er sich den drei evangelischen Räten Armut, Keuschheit und Gehorsam nicht vorbehaltlos unterwerfen konnte und damit den Ansprüchen eines wahrlich gottgeweihten Lebens immer weniger gerecht wurde. Trost suchte er, indem er den Blick auf das Kruzifix des Altars richtete.
    Irgendwann in dieser Zeitspanne, während derer er sich stumm mit Vincenzo Bandelli maß und dann seiner störrischen Unbeugsamkeit schämte, traf Pater Nicodemo in Santa Croce auf seinen Mörder.

6
    D er Mann im Torweg lockerte den Dolch unter seinem Umhang. Jeden Moment musste sein Opfer drüben auf der Kreuzung auftauchen und in die Via dei Pilastri einbiegen. Dann galt es, seine erste Bluttat schnell und beherzt auszuführen.
    Er hoffte, der Aufgabe gewachsen zu sein. Denn bei dem einen Toten würde, nein, durfte es nicht bleiben. Keine halben Sachen, hatte er sich geschworen. Er musste verantwortlich und methodisch vorgehen.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er aus erheblich geringfügigeren Gründen gefürchtet, sein Seelenheil zu verwirken. Aber diese Ängste bedrängten ihn nicht länger. Es hatte nur eines Anstoßes und einigen logischen Denkens bedurft, um ihn ein für alle Mal von diesem Joch zu befreien. Der Mensch war schon von der Schöpfung her so angelegt, dass er einfach nicht umhinkam, Böses zu tun und sich durch Gewalt Vorteile zu verschaffen.
    Nur die körperlich wie geistig Schwachen duckten sich ein Leben lang und wagten nicht, von ihrem natürlichen Recht auf Gewalt Gebrauch zu machen. Ganz wie Vergil es einmal so treffend formuliert hatte: »Niedere Seelen verrät die Furcht.«
    Dabei hatte es im Laufe der Menschengeschichte immer der Gewalt in unterschiedlichster Form bedurft, um das Schwache, Verdorbene und Unwerte auszumerzen – so, wie es immer wieder einmal eines Feuers bedurfte, um den Wald von totem Unterholz zu reinigen und der Erde neue Lebenskraft zu verleihen. Einen Menschen zu töten konnte daher nicht mehr Bedeutung haben als das Ausrupfen von Unkraut.
    Würden denn sonst all die hohen kirchlichen Würdenträger, selbst der vicarius Christi in Rom, hartnäckige Feinde hinterrücks umbringen lassen und einen blutigen Eroberungskrieg nach dem anderen führen?
    Natürlich nicht!
    Die Kirchenfürsten und Päpste, die doch überwiegend eine hohe Bildung genossen hatten, wussten seit jeher, dass man um sein Seelenheil nicht zu fürchten brauchte, nur weil man Blut vergoss.
    Man musste das nicht unbedingt öffentlich schönreden und schon gar nicht dem gemeinen Volk klarmachen, das nicht von ungefähr popolo minuto hieß. Nur ausgemachte Dummköpfe sägten an dem Ast, auf dem sie saßen. Deshalb wurden von den Kanzeln ja auch ständig Höllenszenarien verkündet, wurde beschwörungsreich zu Gehorsam, Friedfertigkeit und Nächstenliebe aufgerufen. Solches Gefasel war für den, der wachen Geistes war und hinter die Kulissen zu blicken vermochte, leicht als raffinierter Schwindel und Mittel zum Zweck der Herrschaftssicherung zu durchschauen.
    Außerdem musste auch die Absolution zu ihrem Recht kommen. Zuweilen gab es sie – auch für Auftragsmorde – sogar schon im Voraus, selbst vom Stuhl Petri. Man brauchte in der Geschichte gar nicht weit zurückzugehen, um solch einen Fall zu finden, der öffentlich geworden war – von den unzähligen geheim gebliebenen ganz zu schweigen. Gerade einmal elf Jahre zuvor hatte Papst Sixtus IV. während der blutigen Pazzi-Verschwörung gegen das Haus Medici dem Meuchelmörder Giovan Battista Montesecco und seinen Komplizen – unter denen sogar zwei geweihte Priester gewesen waren – schon im Vorhinein Absolution für alle Morde erteilt, die sie in Florenz an den Medici und deren Verbündeten begehen würden.
    Dass der blutige Umsturz in Florenz kläglich
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