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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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gescheitert und nur der jüngere Bruder Giuliano, nicht aber der mächtige Stadtherr Lorenzo de’ Medici während der Ostermesse im Dom den Messerstichen der Attentäter zum Opfer gefallen war, hatte Sixtus bis zu seinem Tod nicht verwinden können, und es hieß, er habe es den stümperhaften bravi, den Meuchelmördern, mit den lästerlichsten Verwünschungen und Flüchen vergolten.
    Und was den Patron von Florenz anging, Lorenzo de’ Medici, den das tumbe Volk als Il Magnifico verehrte und der als ungekrönter Fürst über die Toskana herrschte, so hatte auch er zweifellos mehr Blut an den Händen als …
    Der Mann in der Tordurchfahrt stockte. Raues Gelächter holte ihn aus seinen Betrachtungen und machte ihm bewusst, dass kein Regen mehr wie aus Eimern vom Himmel stürzte und die Nacht mit Tosen erfüllte.
    Zwei Männer, einander den Arm um die Schulter gelegt, kamen wankend die Straße herunter. Betrunkene, die das plötzliche Ende des Gusses, das vielleicht auch nur eine Atempause war, nutzten, um nach Hause zu stolpern. Oder aber sie wollten ihre Zecherei in einer der verruchten Hinterhof- und Kellertavernen im Färberviertel unten am Fluss fortsetzen, wo die ganze Nacht hindurch scharfer Fusel ausgeschenkt wurde.
    Er zog sich weiter in den dunklen Torweg zurück. Die beiden Zecher torkelten kichernd an ihm vorbei und verschwanden kurz darauf nach rechts in die Via Fiesolana.
    Als er sich wieder vorwagte und zur Kreuzung hinüberspähte, sah er ihn im Nieselregen aus der Via di Cafaggiolo und über den Borgo Pinti kommen – einen schwarzen, wehenden Schatten. In der Mitte des Schattens, der sich seltsam ruckartig bewegte, blitzte etwas Weißes auf. Die Tunika eines Dominikaners, der sich seine schwarze Cappa mit hochgeschlagener Kapuze eng um die Schultern zog und es sehr eilig hatte.
    Pater Nicodemo, der Dominikaner mit dem steifen rechten Bein!
    Der Mann im Torbogen lächelte selbstzufrieden. Er hatte nicht nur die Zeit gut berechnet, die der Priester für seinen nächtlichen Weg von San Marco nach Santa Croce benötigen würde, sondern auch den richtigen Ort für seinen Hinterhalt gewählt. Er brauchte also auf keine der Alternativen zurückzugreifen, die er sich für den Fall zurechtgelegt hatte, dass sich eine seiner Annahmen als falsch erwies. Plan Alpha kam also zur Umsetzung, und das erfüllte ihn mit Stolz, hatte er doch gewissenhafte Vorarbeit geleistet. Nicht nur dem Tapferen half das Glück, wie es bei Terenz hieß, sondern auch dem Vorausschauenden!
    Er zog den Dolch aus der silbernen Scheide und hielt ihn unter dem Umhang verborgen, während er auf die eiligen Schritte lauschte, die durch Pfützen klatschten und immer näher kamen. Er konnte nicht verhindern, dass sein Herz nun doch höherschlug und sein Mund plötzlich wie ausgetrocknet war.
    Er ließ Pater Nicodemo ein paar Schritte am Tordurchgang vorbeihasten, dann trat er hinaus auf die Via dei Pilastri, setzte ihm nach und rief scheinbar erstaunt: »Pater Nicodemo? Täusche ich mich, oder seid Ihr es wirklich? Bei Gott, Ihr seid es! Natürlich, der erste Bote galt selbstredend Euch! Wie hätte es auch anders sein können?«
    Der Dominikaner fuhr zusammen, hielt inne, drehte sich um – und machte nun seinerseits ein verblüfftes Gesicht.
    »Bei meiner Seele, Euch zu dieser Stunde hier anzutreffen ist wohl das Letzte, womit ich gerechnet hätte!«, stieß er, überrascht und erleichtert zugleich, hervor.
    »Ich nehme an, auch Ihr seid auf dem Weg zu Ser Aurelio, werter Pater.«
    »In der Tat, aber was habt Ihr …«
    Der Mann mit dem Dolch im Gewand fiel ihm ins Wort. »Ich weiß, wie schlecht es um ihn steht und wie viel es ihm zweifellos bedeutet, Euch an seinem Sterbebett zu haben. Mich dagegen ehrt es über Gebühr, dass er darum gebeten hat, auch mich noch einmal zu sehen.«
    »Man hat auch Euch zu ihm gerufen?« Pater Nicodemos Verwunderung hätte kaum größer sein können.
    Bekümmertes Nicken.
    »Mir war nicht klar, dass Ihr so eng mit Ser Aurelio befreundet seid«, gestand der Dominikaner. »Und schon gar nicht hätte ich eine so innige Verbindung zwischen Euch erwartet, dass er Euch in dieser Stunde zu sich rufen lässt.«
    »Nicht alles liegt so offen zutage wie die Frömmigkeit Eures Herzens und die guten Werke, die Euer Orden vollbringt«, antwortete der Mann mit dem Dolch in der Hand scheinheilig und legte dem Pater scheinbar freundschaftlich den anderen Arm um die Schulter. »Aber kommt, lasst uns hier die Abkürzung
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