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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Barcelona, wo die Republik ausgerufen wurde, und in denen Sie das Farbenspiel am Abendhimmel beobachtet haben, machen nach und nach dicht, viele auf Anordnung der Gesundheitsbehörden. Das alte Raval ist auch nicht mehr, was es mal war, seit die Avenida gebaut wurde, Geschäfte mit Magermilchprodukten schießen aus dem Boden, die Madames sind verschwunden, und die Zahnärzte gekommen. Sie nennen es nicht einmal mehr Barrio Chino. Das Land hat seine Würde verloren, mein lieber Méndez. Die alten Huren, die Ihnen ihr Leben erzählt haben, sind tot, sie sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, sie haben auf dem Rathaus eine Kollegin geheiratet oder sie sind Kongressabgeordnete geworden. Die Welt verändert sich, Méndez, und Sie sollten aufhören, Dingen nachzutrauern, an die längst keiner mehr glaubt.«
    »Ja, meine Welt ist tot, und eigenartigerweise lebe ich noch. Ich weiß nicht, warum Sie mich haben rufen lassen, Señor M.«
    »Weil Sie sich auf der Straße auskennen. Sie kommen viel rum, sprechen mit den Leuten, stellen sich bei den pakistanischen Frisören in die Schlange und gehen zur Beerdigung früherer Gewerkschafter, Chorknaben und anderer Glanz-und-Gloria-Vereine, die es in den Vierteln so gibt. Da wird über vieles gesprochen, vor allem darüber, was der Verstorbene für Hörner aufgesetzt bekam.«
    »Das stimmt. Es sollte Särge mit Fenstern geben, Señor M.«
    »Sagen Sie das nicht zu laut, sonst lässt sich das noch einer patentieren. Aber kommen wir zur Sache, mein Freund. Sie werden gelesen haben, dass in einem Abrissobjekt ein Kerl namens Omedes aufgetaucht ist, der nach allen Regeln der Kunst abgeknallt wurde. Seine Polizeiakte hat sich gewaschen. Der hatte mehr Anzeigen am Hals als einer, der das Rauchen nicht lassen kann. Er war vor Jahren an einem Überfall beteiligt, bei dem ein Wachmann und ein dreijähriger Junge ums Leben kamen. Omedes hatte keinen Ausweis bei sich, den hat der Täter wahrscheinlich mitgehen lassen. Bei unseren Ermittlungen sind wir nicht weiter gekommen, die Spuren führen ins Leere. Wir haben nur einen kleinen Anhaltspunkt. Dieser Omedes war als junger Mann ziemlich oft an dem Ort, an dem er starb. Das war früher ein Bordell, geführt von einer gewissen Madame Ruth, und die lebt noch. Angeblich hat sie einen Marquis geheiratet. Vielleicht weiß sie etwas, vielleicht kann sie uns einen Hinweis geben, aber das kann nur ein echter Spürhund wittern.«
    Méndez war gerührt von dem unverdienten Lob.
    »Ich kannte Madame Ruth«, sagte er. »Ihr geheimes, kleines Etablissement befand sich dort bis nach Francos Tod.«
    »Ich werde Ihnen ihre aktuelle Adresse geben. Gehen Sie hin und reden Sie mit ihr, aber mit Fingerspitzengefühl, nicht dass sie sich angegriffen fühlt. Bedenken Sie, die Marquesas, die Huren waren, oder die Huren, die sich jetzt Marquesas nennen, treten neuerdings unter dem Applaus der Wähler im Fernsehen auf. Man hat mir gesagt, diese Ruth verlasse ihr Haus nicht mehr, sei aber gesünder als ein Bischof.« Mit einem aufmunternden »Bewegung, Méndez« entließ der Hauptkommissar ihn. Und das im 21. Jahrhundert!

5
    »Von wegen Bewegung, Méndez, und von wegen Madame Ruth heute verwitwete Marquesa de Solange ist gesund wie ein Bischof«, sprach Méndez in das Telefon einer Bar. »Fehlanzeige, Herr Hauptkommissar. Das Haus, in dem die Dame jetzt lebt, ist ein Relikt des alten Barcelona, eines von diesen Ferienhäusern mit Garten, die im neunzehnten Jahrhundert den wohlhabenden Schichten als Sommerquartier dienten, die die Stadt nicht verlassen wollten, weil der Hausherr seine Arbeit und seine Geliebte und die Dame des Hauses ihre feste Büglerin und Friseurin hatte. Das Haus liegt im Horta-Viertel, heute ein belebter Ort voller Kneipen. Aber früher gab es dort ein Wäldchen und Quellen, das Klima war frischer, und die Revolutionäre sind dort nie hingekommen. Das Haus, von dem ich spreche, hat drei Etagen, im Garten stehen zwei uralte Bäume und es gibt eine Dogge. Wenn die einen ins Visier bekommt, ruft man am besten gleich den Notarzt.«
    Méndez hob kurz die Hand, um sich beim Wirt für das Überlassen des Telefons zu bedanken, und fuhr fort:
    »Die Ermittlungen waren nicht besonders schwierig, Herr Hauptkommissar. In diesem kleinen, eher ländlichen Viertel wissen die Leute alles. Señora Ruth lebt zurückgezogen im Haus ihres Mannes und wird von einer recht jungen Frau versorgt, die sie offensichtlich seit vielen Jahren kennt. Es schien mir unpassend, sie zu
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