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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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fuhr fort:
    »Du hast nicht die Seele eines Spürhundes, und das ist ja auch normal. Du schnüffelst nicht in der Kanalisation wie ich. Es ist dir nie in den Sinn gekommen, das Fenster zu überprüfen, das auf den Innenhof hinausgeht. Natürlich nicht. Eva hat ja saubergemacht. Wenn du es öffnest und dir das Fenster genau ansiehst, wirst du feststellen, dass es in der Mitte einen Riss hat. Das erscheint zunächst nicht ungewöhnlich, der ist bestimmt schon alt, doch weit gefehlt. Wenn du es mit beiden Händen nach oben ziehst, entdeckst du einen kleinen Hohlraum, in den gerade mal eine Hand hineinpasst. Und in der Wand, unter dem Fensterbrett, ist auch ein kleiner Hohlraum. Dort ist eine Pistole versteckt. Ich habe sie dort hineingelegt, für den Fall, dass du sie brauchen könntest. Und weil es besser ist, wenn niemand ermittelt. Und weil ich im Grunde meines Herzens auf das Gesetz scheiße. Und weil mir dadurch klar wurde, dass du Omedes nicht umgebracht hast. Du hast die Wahrheit gesagt.«
    Méndez trank seinen Espresso in einem Zug aus, wobei er das Gesicht verzog. Verdammt, der schmeckt nach nichts, wenn das so weitergeht, lande ich noch bei den Anonymen Alkoholikern oder werde womöglich sogar Minister. Und wer weiß, ob man mich dann nicht porträtiert, wie ich eine Zigarette austrete und ein Röhrchen Aspirin in der Hand halte. Er schürzte die Lippen und sagte:
    »Du hast keine Ahnung, was Eva Expósito für eine großartige Frau war. Du hast keine Ahnung, wie dankbar sie war.«
    Miralles sah ihn direkt an. Oder vielleicht starrte er ins Nichts. Waren das Tränen in seinen Augen?
    Tränen.
    Er konnte nichts sagen. Méndez redete einfach weiter:
    »Ich habe im Zimmer deines Sohnes nichts angerührt, aber ich habe gesehen, dass dort ein neues Bild hängt.«
    »Ja.«
    »Ein Bild von Eva Expósito.«
    Miralles wischte schnell eine Träne weg. Er wollte wieder ins Leere starren.
    Er schämte sich.
    Méndez flüsterte:
    »Du hattest es schon vor ihrem Tod aufgehängt. Es war dein Allerheiligstes. Du hattest sie darin aufgenommen.«
    Miralles senkte den Kopf und fand kaum die Kraft, zu flüstern:
    »Dort war alles, was ich geliebt habe, dort waren die wichtigsten Teile meines Lebens.«
    Und er drehte den Kopf weg, damit Méndez ihn nicht sehen konnte.
    Dort war das Fenster und das Viertel.
    Aber auf einmal war das nichts mehr.
    »Einen Rat noch«, sagte Méndez, »der Rat eines Veteranen, den man bald rauswerfen wird, direkt neben einen Container.«
    »Was?«
    »Bleib nicht allein. Du stirbst und starrst dabei auf eine Wand. Da ist noch eine Frau, die dich liebt und die dir helfen wird. Die Frauen lieben so sehr, dass sie dein Leben führen.«
    »Und warum sollte ich das tun, Méndez?«
    »Erstens, weil es fair ist. Zweitens, weil sie dir geholfen hat. Drittens, weil du sie brauchst. Viertens, weil sie dich von Herzen liebt. Du weißt, ich spreche von Mabel. Und es gibt noch einen Grund, den wichtigsten von allen.«
    »Welchen?«
    »Mabel war auch fünfzehn, wie Eva.«
    Méndez ging zur Tür.
    Er ließ die alte Kneipe, die Theke, den Herrn Frührentner, die Gläser mit einem Tropfen Schweigen zurück. Er ging Richtung Avinguda del Parallel und ließ das Viertel hinter sich.
    Dort angekommen hielt er mit den Gesten eines Marqués ein Taxi an. Doch er war sich nicht sicher, ob der Taxifahrer anhalten würde, wenn er ihn sah.
    Er bat ihn, ihn zum Friedhof von Montjuïc zu fahren, in den obersten Teil, wo das Meer so besonders glänzte und den Toten jeden Abend seine Abenteuer erzählte.
    Plötzlich überkam ihn ein Kälteschauer.
    Méndez beugte sich zu dem Grab herab. Seine leicht zittrigen Finger streichelten den prächtigen Stein.
    Dort, zum Meer hin, befand sich das Grab von Eva Expósito. Ihr Name. Ihr – ungewisses – Geburtsdatum und das genaue Datum ihres Todes.
    Darunter ein einziges Wort:
    » WEISE .«
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