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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Atmosphäre ist noch vorhanden, und ich werde euch vor dem Abriss noch ein letztes Mal die Türen öffnen.
    Die Bewohner traten ein und sahen alles.
    Die Balkone.
    Die Stuckornamente oben an den Wänden.
    Die Türen, auf die jemand etwas gekritzelt hatte.
    Den bunt bestückten Tisch.
    Die feierlich in einer Reihe aufgestellten Flaschen.
    Und den Toten.

3
    »Na schön, schauen wir mal, wer der Tote ist.«
    Das sagte Comisario Monterde, der Herr Hauptkommissar, während er sich eine Montecristo Edmundo anzündete, die letzte des Monats. Mittlerweile brauchte man ja fast schon eine Genehmigung der NATO , wenn man Zigarren kaufen wollte. Er zog den Aschenbecher zu sich heran, sog genüsslich den Rauch ein und las die Aussage, die sein Assistent ihm übergeben hatte.
    Wer der Tote ist?
    Obwohl es schon viele Jahre her ist, es dürfte 1975 gewesen sein, ist er im Viertel kein Unbekannter. Viel weiß ich nicht über ihn, nur dass er Omedes hieß, nichts gelernt hatte und ein übler Geselle war.
    Er schlug sogar seine Mutter, verbrachte seine Kindheit in der Besserungsanstalt, die frühe Jugend im Gefängnis und später lebte er bei Madame Ruth, die ein gemütliches, billiges Etablissement führte, mit lauter jungen Damen, die an die Heilige Jungfrau glaubten. Bis er eine von ihnen misshandelte und Madame Ruth einen Schläger anheuerte, der ihm sämtliche Rippen brechen sollte. Der Schläger stammte aus dem Viertel und hat, glaube ich, nicht einmal etwas dafür verlangt.
    Dann wollte Omedes hoch hinaus, er wollte das große Geld und überfiel mit einem Kumpanen eine Bank, wobei der Wachmann und die Geisel, ein gerade mal dreijähriger Junge, zu Tode kamen. Sein Kumpel wurde gefasst, aber Omedes gelang es, mit einem Teil der Beute abzutauchen, bis heute, soweit man weiß, Herr Hauptkommissar, aber, nicht wahr, im Viertel kommt am Ende ja doch immer alles ans Licht.
    Unser Verein bedauert, dass er nicht mehr Informationen über den Verstorbenen hat. Leider gibt es auch keine Hinweise aus erster Hand über den Zustand, in dem er aufgefunden wurde, denn die Bewohner haben, von Neugier getrieben, die Leiche angefasst, und ich glaube, sie haben sogar seinen Hosenstall geöffnet, natürlich ohne böse Absicht.
    Aber sie haben gesehen, dass man ihm einen Genickschuss mit einer 38er verpasst hatte, dass es sich also um eine kaltblütige Exekution handelte. Das mit dem Kaliber 38 sagt eine Bewohnerin, deren Mann bei der Polizei ist, dessen Dienstwaffe aber sie aufbewahrt. Sie muss es also wissen, nicht wahr?
    Drei Dinge möchte ich noch anführen, mit allem gebührenden Respekt: Erstens, vor dem Vorfall wurde im Haus eine junge Frau gesehen, die niemand kannte. Zweitens sollten Sie Madame Ruth aufsuchen, wenn sie noch lebt, denn sie weiß bestimmt noch mehr über den Verstorbenen. Doch ich muss Sie vorwarnen, soweit ich weiß, hat es Madame Ruth, die einstige Hure, zu Wohlstand gebracht und ist inzwischen Marquesa, womit widerlegt wäre, dass schlechte Wege nicht zum Ziel führen. Und drittens, betrauen Sie, wenn Sie können, jemanden mit dem Fall, der Zeit hat, denn in einem Haus, das es nicht mehr gibt, zählen auch die Stunden nicht. Hochachtungsvoll. Im Namen der Nachbarschaftsvereinigung, der Präsident.

4
    »Man hat mir gesagt, Sie hätten Zeit, Méndez.«
    »Alle Zeit der Welt, Herr Hauptkommissar, man betraut mich nicht mehr mit Fällen, ich stehe kurz vor der Pensionierung, also kurz vor dem Eintritt in das Stadium post mortem.«
    Der wichtige Herr Hauptkommissar oder Vorgesetzte oder wie auch immer man ihn nennen mag, setzte eine selbstzufriedene Miene auf und hantierte mit den Händen vor dem Bauch, als wollte er eine Schwimmweste anlegen. Dann sagte er: »Ich weiß, dass sich Ihre Lebensbedingungen schon verbessert haben, Méndez. Sie leben nicht mehr im Hinterzimmer einer Bar, wo sie manchmal gar nicht hineinkonnten, weil sich gerade jemand die Besitzerin vornahm. Es ist mir ein Rätsel, wie Sie das so lange aushalten konnten. Aber was Frauen angeht, hat jeder seine eigene Toleranzschwelle, vor allem, wenn es sich um die Frauen von anderen handelt. Man hat mir gesagt, sie lebten jetzt in einer kleinen Wohnung gegenüber von Atarazanas. Die soll so vollgestopft mit Büchern sein, dass möglicherweise Ihre letzte Putzfrau darunter begraben liegt …«
    »Ja, ich habe mich verbessert, aber mein Leben ist nach wie vor ein einziges Desaster, Señor M.«
    »Das verstehe ich, Méndez: Ihre Welt stirbt. Die alten Cafés von
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